Worte wie Menschen, Menschenrechte, Menschenrechtsschutz, Menschenwürde, Meldung, menschlichen, Menschenrechtskonvention am 6. November 2012 am Bauzaun der Großbaustelle des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe.
Menschenrechte

Menschenrechte und Kirche

Die Kirche fühlt sich der Gewährleistung von Menschenrechte verpflichtet.

Erstellt: 04.09.2012
Aktualisiert: 29.06.2023
Lesedauer: 

Die Kirche weiß sich der Menschenwürde verpflichtet, die in unveräußerlichen Menschenrechten politisch-rechtlich Anerkennung und Schutz findet. Ihren historischen Durchbruch erfuhren die Menschenrechte im Kontext der demokratischen Revolutionen des späten 18. Jahrhunderts in Nordamerika und Frankreich. Die Gewährleistung von Freiheit in Gleichberechtigung wurde in der Moderne zur Leitidee einer menschenrechtlich gebundenen Politik.

Menschenwürde – das Fundament der Menschenrechte

Menschenrechte sind Rechte, die jeder Mensch allein aufgrund der Tatsache besitzt, dass er ein Mensch ist. Diese Rechte können nicht verkauft, aberkannt oder verwirkt werden. Sie liegen in der menschlichen Würde begründet, die uns alle als Menschen ausmacht. Die Menschenrechte sind daher universell. Das heißt, sie gelten für alle Menschen gleichermaßen, ohne Ausnahme, unabhängig von individuellen Merkmalen wie z.B. Herkunft, Religion, Alter, Vermögen oder Geschlecht.

Der Grundgedanke eines Anspruchs gegenseitiger Achtung des Menschen gegenüber sich selbst und gegenüber einem jeden anderen Menschen findet sich in verschiedenen Kulturen, Religionen und philosophischen Traditionen, so auch schon in den biblischen Erzählungen. Im Zuge der Aufklärung und verschiedener bürgerlich-demokratischen Revolutionen werden seit dem späten 18. Jahrhundert schließlich erste umfassende Menschenrechtserklärungen ausformuliert (z.B. die Französische Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789, die US-amerikanische „Bill of Rights“ von 1789/91 und das „Reichsgesetz betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes“ von 1848). Nach dem zweiten Weltkrieg wurden auch auf internationaler Ebene Institutionen und Strukturen für den Menschenrechtschutz geschaffen. Eine wichtige Grundlage dafür war die Gründung der Vereinten Nationen im Jahr 1945, die sich in ihren Zielen (anders als noch ihre Vorgängerorganisation, der Völkerbund) explizit der „Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten für alle“ verschrieben hat, sowie die Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR) im Jahr 1948.

Gleich in ihrem ersten Artikel beschreibt die AEMR das Menschenbild, dass der Menschenrechtsidee zugrunde liegt:

„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Solidarität begegnen.“

—  Zitat: Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte

Jeder Mensch hat eine besondere Würde, die es zu achten gilt. Zum Schutz dieser Würde in allen Lebensbereichen formuliert die AEMR eine ganze Reihe verschiedener Rechte, die verschiedene elementare Aspekte des menschlichen Lebens abdecken: Einige Rechte schützen vor Gewalt und staatlicher Willkür. So wird z.B. ein Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person, ein Verbot von Folter und Sklaverei und ein Anspruch auf ein faires Gerichtsverfahren formuliert. Darüber hinaus schützt die AEMR auch Beteiligungsrechte wie die Meinungs-, Informations- und Versammlungsfreiheit. Aufgeführt wird auch die Gedanken-, Gewissens-, Religionsfreiheit, die unter anderem eine weitere wesentliche Dimension menschlichen Seins schützt, nämlich die Möglichkeit, Antworten auf Grundfragen menschlicher Existenz suchen zu können. Daneben werden aber auch Aspekte adressiert, die materielle Grundbedürfnisse und Fragen um das Teilhaben am gesellschaftlichen Leben betreffen. So sind in der AEMR z.B. auch ein Recht auf Erholung und Freizeit, ein Recht auf Wohlfahrt und ein Recht auf Bildung aufgeführt. Gemeinsam ist allen Menschenrechten, dass sie (unabhängig von der Verschiedenheit der Lebens- und Themenbereiche, die sie abdecken), dass sie immer darauf ausgelegt sind, so viel Freiheit zu gewähren, wie es möglich ist, ohne dass dadurch anderen entsprechende Freiheiten verwehrt werden. Dies schließt auch die materiellen Voraussetzungen ein, die zur Verwirklichung dieser Freiheit in Gleichberechtigung benötigt werden.

Insbesondere die Erfahrung von Unrecht und Verletzungen der Menschenwürde haben weltweit immer wieder Anstoß dazu gegeben, die Weiterentwicklung der Menschenrechte und die Stärkung des Menschenrechtsschutzes weiter voranzutreiben: So waren z.B. die frühen Menschenrechtsdokumente aus dem 18. Jahrhundert Ausdruck des tiefen Wunsches, Unterdrückung, Willkür und Ungleichbehandlung durch absolutistisch und imperialistisch agierende Regierungen zu überwinden. Die AEMR war nicht zuletzt auch eine Antwort auf die grausamen Verbrechen der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft mit ihrer entmenschlichenden Ideologie, Verbrechen – so die Einsicht – die sich niemals wiederholen dürfen.

Kirche und Menschenrechte

Auch wenn der Schutz der Menschenwürde von Beginn an zum Kern der kirchlichen Moralverkündigung gehörte (ist diese doch in der der biblischen Lehre von der Gottesebenbildlichkeit jedes Menschen grundgelegt), stand die katholische Kirche dem Konzept der Menschenrechte zunächst einmal ablehnend gegenüber. Gerade das moderne Freiheitsbewusstsein, das die Menschenrechte verkörpert, wurde als Gefahr wahrgenommen und unter den Verdacht gestellt, die Auflösung religiöser und moralischer Verbindlichkeiten zu fördern. Diese Ängste und Vorbehalte wurden jedoch in einem Lern- und Annäherungsprozess bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil überwunden (eine entscheidende Rolle auf diesem Weg spielten die Enzyklika Pacem in Terris von 1963 und die Konzilserklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis Humanae von 1965). Seit dem Konzil versteht sich die Kirche als Anwältin der Menschenrechte und tritt für deren weltweite Durchsetzung aktiv ein. Dabei spricht sich die Kirche für ein ganzheitliches Menschenrechtskonzept aus, demzufolge bürgerliche, politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte unteilbar zusammengehören und einander wechselseitig voraussetzen und ergänzen. Das Bewusstsein der eigenen Freiheit und damit verbunden auch der eigenen Verantwortung wird heute von der Kirche als ethischer Fortschritt wahrgenommen.

„Die Würde der menschlichen Person kommt den Menschen unserer Zeit immer mehr zum Bewusstsein, und es wächst die Zahl derer, die den Anspruch erheben, dass die Menschen bei ihrem Tun ihr eigenes Urteil und eine verantwortliche Freiheit besitzen und davon Gebrauch machen sollen, nicht unter Zwang, sondern vom Bewusstsein der Pflicht geleitet.“

—  Zitat: Dignitatis Humanae, 1

Kirchliche Menschenrechtsarbeit in der Praxis

Das Engagement kirchlicher Verbände und Einrichtungen für die Menschenrechte ist umfangreich und vielfältig. Hier nur einige wenige Beispiele:

Die katholischen Hilfswerke unterstützen Projekte weltweit, die zur Stärkung der Menschenrechte beitragen und Menschenrechtsverteidigern und –verteidigerinnen vor Ort den Rücken stärken. So unterstützt Misereor z.B. in Lateinamerika Projekte gegen das gewaltsame Verschwindenlassen.

Viele kirchliche Jugend-, Frauen- und Laienverbände engagieren sich Menschenrechtsbildung und Advocacy-Arbeit. So setzt sich z.B. die Katholische junge Gemeinde gegenüber der Bundesregierung dafür ein, dass die Kinderrechte in das Grundgesetz aufgenommen werden.

Im Rahmen der Aktion der Christen für die Abschaffung der Folter setzen sich engagierte Gläubige zudem für Menschen, die verfolgt, gefoltert oder mit dem Tod bedroht werden, ein, in dem sie sich mit Briefen an die verantwortlichen Regierungen wenden. Solche Eilaktionen tragen nicht selten dazu bei, die Lebensbedingungen von Gefangenen zu verbessern, eine Neuverhandlung oder gar die Freilassung zu erwirken.

Eine besondere Rolle kommt der Deutschen Kommission Justitia et Pax zu: Justitia et Pax versteht sich als Forum der katholischen Einrichtungen und Organisationen, die im Bereich der internationalen Verantwortung der Kirche in Deutschland tätig sind und hat den Auftrag, grundlegende, innovative Beiträge zur Menschenrechtspolitik zu entwickeln. Aktuell versucht die Kommission in diesem Sinne darzulegen, warum ein Menschenrecht auf einen angemessenen Umgang mit den Toten ausformuliert werden sollte. Darüber hinaus entwickelt Justitia et Pax Strategien, um der Vereinnahmung durch populistische Kräfte effektiv entgegenzuwirken, und zeigt am Beispiel der fehlenden internationalen Impfgerechtigkeit strukturelle Probleme im Hinblick auf die weltweite Verwirklichung des Menschenrechts auf Gesundheit auf.

Kirchliche Engagement für die Menschenrechte bleibt damit Teil einer Lernbewegung, die den immer besseren Schutz der Menschenwürde zum Ziel hat und die von Austausch und Zusammenarbeit mit globalen Partnern lebt.

Video: ©
Video: ©
Von Bernd Hirschberger/Justitia et Pax