Kirche an der Seite der Ureinwohner Ecuadors
Amazonas-Synode ‐ Zwei Wochen vor der Amazonas-Synode im Vatikan hoffen engagierte Missionare auf Rückenwind für ihre Arbeit in den betroffenen Gebieten. Auch im ecuadorianischen Indio-Dorf Sarayaku blickt man gespannt nach Rom.
Aktualisiert: 23.09.2019
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Zwei Wochen vor der Amazonas-Synode im Vatikan hoffen engagierte Missionare auf Rückenwind für ihre Arbeit in den betroffenen Gebieten. Auch aus der indigenen Gemeinschaft Sarayaku in Ecuador blickt man gespannt nach Rom.
Als Schwester Rosa Elena Pico ihren aktuellen Auftrag bekam, reagierte sie entsetzt. „Oh Gott, sie haben mich in den Dschungel geschickt“, sei ihr erster Gedanke gewesen. Die 58-Jährige aus der Gemeinschaft der Missionarinnen Mariens der Miterlöserin nahm die Herausforderung an. Mit weißem Schleier und grauem Gewand stieg sie im November 2017 in ein klappriges Leichtflugzeug und landete auf einer Graspiste im grünen Meer des ecuadorianischen Regenwaldes. Seither lebt sie mit zwei Mitschwestern in einer Holzhütte des Dorfes Sarayaku – fernab der Zivilisation.
Eine der Frauen ist zurzeit wegen einer Krankheit außer Gefecht. Überhaupt bringt das Urwald-Leben etliche Beschwerlichkeiten mit sich. Eine Anbindung ans Straßennetz gibt es in Sarayaku nicht, dafür sind Moskitos und andere Blutsauger allgegenwärtig. Auch vor Giftschlangen muss man sich in Acht nehmen. Trotzdem verfolgen die Schwestern beharrlich ihr Ziel: die Verbreitung des katholischen Glaubens. „Wir teilen das Leben der indigenen Bewohner“, sagt Pico, die aus der Andenstadt Cuenca stammt. Von der geplanten Amazonas-Synode im Vatikan (6. bis 27. Oktober) erhofft sie sich neue Impulse. Der Regenwald Lateinamerikas sei in großer Gefahr. Es müsse mehr für seinen Schutz getan werden – nicht zuletzt vonseiten der Kirche.
Tatsächlich ist das 135.000 Hektar große Territorium Sarayakus seit Jahren einer ständigen Bedrohung ausgesetzt. Denn unter den Hütten der rund 2.000 Kichwa befindet sich Erdöl. Nur zu gerne würden internationale Konzerne augenblicklich mit der Ausbeutung beginnen. Abholzung und Verschmutzung wären die unweigerlichen Folgen; der selbstbestimmte Lebensstil der Indios mit Fischfang, bescheidener Landwirtschaft und ein wenig Ökotourismus könnte so kaum bewahrt werden. Doch während Naturvölker in aller Welt von der Zivilisation überrollt werden, ist Sarayaku über die Grenzen Ecuadors hinaus zu einem Symbol indigenen Widerstands geworden.
Nach einem langen Streit mit zahllosen Scharmützeln fällte der Interamerikanische Menschengerichtshof in Costa Rica 2012 ein Urteil, das für Aufsehen sorgte: Er gab dem Kichwa-Volk Recht. Der ecuadorianische Staat habe bei der Vergabe von Ölförder-Konzessionen für das Gebiet Sarayaku gegen internationale Abkommen verstoßen. Die „Petroleros“, die bereits 1.450 Kilogramm Sprengstoff im Boden deponiert hatten, mussten sich zurückziehen. Gebannt ist die Gefahr indes nicht.
In der Versammlungshütte Sarayakus, errichtet auf einem sandigen Plateau im Dorfzentrum, berichten die Mitglieder des Gemeinderates über immer neue dubiose Aktionen der Ölfirmen, um doch noch an das „schwarze Gold“ zu gelangen. „Unser Kampf gegen die Konzerne geht weiter“, heißt es von den Stammesführern. Einer von ihnen ist Franco Gualinga, der Ex-Präsident der Siedlung. „Wir widersetzen uns weiterhin der Kolonisierung“, betont der 50-Jährige. Ziel sei es, wie die Ahnen im Einklang mit der Natur zu leben. Unterstützung kommt von der katholischen Kirche. Vor allem das länderübergreifende kirchliche Netzwerk Repam (Red Eclesial Panamazonica) setzt sich für die Belange der indigenen Völker ein. Gegründet wurde es 2014 von Bischöfen, Priestern, Ordensleuten und Laien aus dem Amazonasgebiet – als Antwort der Kirche auf die fortschreitende Zerstörung.
Schwester Rosa Elena gehört zu jenen, die an Ort und Stelle Hilfe leisten. Defizite sieht sie in erster Linie in Sachen Bildung. Als sie zur Mittagszeit über den von Hütten umringten Dorfplatz spaziert, wird sie von spielenden Indio-Kindern begrüßt. „Sie können hier zur Schule gehen, aber die ist nicht besonders gut“, sagt die Missionarin. Sie versuche daher, im Umgang mit den Kindern eigene Akzente zu setzen – etwa beim Thema Sexualmoral. Viele hätten schon mit zwölf oder dreizehn Jahren Geschlechtsverkehr. „Das ist normal hier“, bemerkt Pico mit kritischem Unterton. Sie wehrt sich gegen romantische Urwald-Klischees und eine allzu verklärende Sicht auf die Indiokultur. „Sie lieben den Wald und wollen ihn beschützen.“ Aber längst nicht alle seien geborene Umweltschützer. Benzinreste etwa würden aus Unwissenheit nicht selten im nahe gelegenen Rio Bobonaza entsorgt.
Die Kritik der Schwester und ihre Strenge in manchen Glaubensfragen kommen nicht immer gut an. „Ich wurde auch schon aufgefordert, wieder zu gehen“, räumt sie ein. Sie verweise in solchen Gesprächen darauf, dass darüber allein der Bischof zu entscheiden habe. Konflikte wie diese zeigen: Die Dorfbewohner haben den Katholizismus zwar in vielerlei Hinsicht angenommen. Davon zeugt die Kapelle im Herzen von Sarayaku. Dennoch lässt man sich von Zugereisten ungern ins Privatleben hineinreden.
Als größtes Problem bei ihrer Arbeit nennt Pico den Priestermangel im Amazonasgebiet. Ein kolumbianischer Geistlicher aus der nächstgelegenen Stadt komme nur alle paar Wochen per Boot zu Besuch. „Wir brauchen dringend mehr Vertreter zum Spenden der Sakramente“, fordert die Missionarin. Sie hoffe, dass bei der Synode im Vatikan eine Lösung gefunden werde. Das, davon ist sie überzeugt, würde der Botschaft Gottes im bedrohten Regenwald viel mehr Gehör verschaffen.
Von Alexander Pitz (KNA)
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