Schutz für geflohene Frauen – Gespräch mit „Jadwiga“-Leiterin
München ‐ Die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung in Deutschland für die aus der Ukraine geflüchteten Menschen ist groß. Und doch besteht die Gefahr, dass manch einer die Not von Frauen und Kindern ausnutzt. Wie sie sich davor schützen können, darüber klärt die in München und Nürnberg ansässige katholische Fachberatungsstelle „Jadwiga“ auf.
Aktualisiert: 14.09.2022
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Auf welche Weise das geschieht, darüber sprach Barbara Just von der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) mit Leiterin Monika Cissek-Evans (66).
Frage: Frau Cissek-Evans, als klar war, dass am Münchner Hauptbahnhof Hunderte von Frauen mit Kindern aus der Ukraine ankommen würden, was war da Ihr erster Gedanke?
Cissek-Evans: Als Team waren wir uns sofort einig, dass wir die Frauen über mögliche Gefahren informieren müssen. Denn sie sollen sich nicht von falschen Angeboten locken lassen.
Frage: Wo muss man aufpassen?
Cissek-Evans: Ich war privat in Berlin, als ich miterlebte, wie die ersten Züge mit Flüchtlingen aus der Ukraine am dortigen Hauptbahnhof ankamen. In einem rbb-Beitrag hörte ich, wie Helfer von sehr obskuren Männern erzählten, die den Frauen versuchten, Angebote für eine Wohnung oder einen tollen Job zu machen. Zudem wurden Kinder mit Süßigkeiten gelockt. Wir kennen das alles schon aus den Jahren 2015/16, in denen viele Flüchtlinge kamen und so etwas auch passierte. Wir haben in diesem Bereich viel Aufklärungsarbeit geleistet, um die Betroffenen vor Menschenhandel zu schützen.
Frage: Sind Sie in München dann gleich aktiv geworden?
Cissek-Evans: Ich bin mit einem Zug zurückgekommen, in dem auch Hunderte von Geflüchteten mit an Bord waren. Während in Berlin schon viel für die Flüchtlinge am Bahnhof getan wurde, war in München erstmal nichts los. Die Leute konnten sich an die Bahnhofsmission wenden, der Infopoint der Caritas kam später. Innerhalb einer Woche hat sich das aber gesteigert.
„Wichtig ist, dass die Frauen mit Verwandten, Freundinnen und anderen Geflüchteten in Kontakt bleiben“
Frage: Und wie hat das „Jadwiga“-Team reagiert?
Cissek-Evans: Wir haben eine Sicherheitsinformation speziell für ukrainische Frauen und Mädchen gemacht. In Ukrainisch und Englisch ist auf den Flyern zu lesen, wie sie sich schützen können. Wir teilen sie dort aus, wo die Frauen Schlange stehen, etwa wenn sie warten, um sich registrieren zu lassen.
Frage: Was steht da drin?
Cissek-Evans: Dass die Frauen nie ihren Pass aus der Hand geben und eine Kopie davon nur an eine Vertrauensperson geben sollen. Auch wird geraten, dass Handy immer bei sich zu behalten. Bevor man in das Auto einer Privatperson steigt, ist es sinnvoll, das Kennzeichen zu fotografieren und an eine Vertrauensperson zu schicken. Wenn der oder die Fahrer/in dagegen ist, lieber nicht einsteigen. Wer einem eine Wohnung anbietet, von dem sollte man sich den Ausweis zeigen lassen sowie Name und Adresse aufschreiben. Auf dem Zettel stehen natürlich auch die Telefonnummern von Polizei sowie von Hilfsstellen wie „Jadwiga“ oder dem Verein Gewalt gegen Frauen.
Frage: Viele wollen schnellstmöglich arbeiten ...
Cissek-Evans: Arbeitsangebote können eine weitere Gefahr sein. Denn einige legen es darauf an, Frauen, die kein Deutsch sprechen, auszubeuten. Das können etwa schlecht bezahlte Putzjobs sein. Frauen in Deutschland haben aber das Recht auf einen Arbeitsvertrag und Mindestlohn. Deshalb der Rat: Vorsichtig sein, wenn jemand schnell viel Geld verspricht. Vor allem sollte man wissen, dass es Menschenhändler gibt. Das müssen nicht immer Männer sein. Wichtig ist, dass die Frauen mit Verwandten, Freundinnen und anderen Geflüchteten in Kontakt bleiben.
Frage: Wo sehen Sie noch ein Problem?
Cissek-Evans: Wirklich wichtig wäre, dass die Privatquartiere erfasst werden. Da ist im Moment ein gewisser Wildwuchs. Leute stehen mit einem Schild am Bahnsteig, auf dem zu lesen ist: „Habe Zimmer für eine Frau plus ein Kind.“ Das ist lieb gemeint und von über 90 Prozent sicher gut gedacht. Aber es gibt leider auch andere Menschen.
Frage: Kommt Ihnen aktuell Ihr Netzwerk, dass Sie über die Jahre mit osteuropäischen Frauen aufgebaut haben, zugute?
Cissek-Evans: Ja. Wir sprechen hier an unserer Fachberatungsstelle zwölf Sprachen. Wir haben eine ukrainische Mitarbeiterin, zwei sprechen Russisch, aber auch Bulgarisch, Rumänisch, Ungarisch und natürlich Englisch. Das ist ganz wichtig für die Arbeit.
Frage: Haben Sie schon einen Moment am Hauptbahnhof erlebt, wo Sie direkt dazwischen gehen mussten?
Cissek-Evans: Nein. Man hört nur immer was. Es hat auch in einer Unterkunft schon einen Fall gegeben. Aber es ist nicht so, dass man es gleich sehen würde. Mittlerweile sind die Mitarbeiter der Caritas und die Ehrenamtlichen auch ein Stück weit vorgewarnt und schauen ein bisschen genauer hin.
Frage: Inwieweit nutzen Sie die Sozialen Medien zur Aufklärung?
Cissek-Evans: Unsere Informationen werden dort ebenso verbreitet. Meine ukrainische Kollegin ist sogar in den ukrainischen Netzwerken aktiv. Wir informieren die Frauen außerdem, dass sie in Deutschland – im Gegensatz zur Ukraine – einen Anspruch auf finanzielle Unterstützung haben. Sie sollten diesen auch nutzen und vielleicht erstmal einen Deutschkurs machen. Dass sie arbeiten wollen, ist großartig. Aber das muss anlaufen. Man sollte gucken, dass man dann nicht auf den Ausbildungsstandards beharrt. Wahrscheinlich können viele fluchtbedingt keine Unterlagen beibringen. Da hoffe ich, dass wir in Deutschland dann etwas flexibler damit umgehen werden.
© KNA