Frage: Wie muss ich mir diese CO2-Abgabe für den Einzelnen konkret vorstellen?
Wallacher: Der Bereich, der im Moment am stärksten CO2 verursacht, ist der Energiebereich. Wir haben hier in Deutschland jetzt schon mit die höchsten Steuern im Energiebereich, wir haben die Stromsteuer und die Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)-Umlage. Und diese Abgaben könnte man reduzieren und zu einer wirksamen CO2-Abgabe zusammenfassen. Sodass de facto die Erhöhung gar nicht so groß sein muss. Für Einkommensschwächere muss ganz klar sein: Sie müssen am Ende des Jahres durch eine Klimadividende einen Betrag zurückbekommen. Und diejenigen, die weniger CO2 emittieren – und das sind in der Regel die Ärmeren – haben dadurch sogar einen Netto-Gewinn, wenn man das politisch geschickt macht. Es ist immer die Frage: Wie gestalten wir das? Deswegen ist die sozialverträgliche Einbettung ein ganz entscheidender Punkt. Da erwarte ich von der Politik, dass sie den Mut hat, das auch zu erklären und darauf zu verweisen: Das ist der große Vorteil der CO2-Abgabe. Es funktioniert in Schweden, in der Schweiz und anderen Ländern. Hier kann man das Bewusstsein stärken: Wir sehen ein Instrument, das sich andernorts schon bewährt hat – ohne soziale Verwerfungen und Gelbwestenproteste.
Frage: Nach den Angriffen auf Ölanlagen in Saudi-Arabien in den vergangenen Tagen sehen wir, dass die Abhängigkeit vom Öl und fossilen Brennstoffen nach wie vor hoch ist ...
Wallacher: Die Abhängigkeit ist deutlich geringer als in den 70er- und 80er Jahren. Es gibt Möglichkeiten der Kohleverflüssigung und Frackingverfahren – wenn auch mit teilweise problematischen ökologischen Folgen –, dadurch ist die Abhängigkeit vom Nahen Osten geringer als früher. Das zeigt auch, dass eine Transformation hin zu Erneuerbaren Energien nicht nur aus ökologischen, sondern auch aus politischen Gründen geboten ist. Gleichwohl ist auch klar, dass es durch diese Transformation immer auch Verlierer geben wird. Wir sehen das bei uns im Braunkohlebergbau in Nordrhein-Westfalen und der Lausitz. Und alle Besitzer von fossilen Brennstoffen müssten sich gehörig umorientieren, wenn weltweit der Umstieg auf Erneuerbare Energien gelingen würde.
Frage: Also sollte Deutschland mit gutem Beispiel voran gehen ...
Wallacher: Und zwar aus eigenem Interesse. Es sind ja die Volkswirte, die Ökonomen, die spätestens seit zwei, drei Jahren sehr eindeutig in allen Stellungnahmen diesen Paradigmenwechsel einfordern. Wir müssen verstehen, dass es nicht nur ökologisch geboten, sondern auch ökonomisch vernünftig und sinnvoll ist, jetzt diese Transformation voranzubringen – mit Augenmaß und einer Balance aus Zukunftsinvestitionen, dem Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit, aber auch aus Gründen sozialer Gerechtigkeit.
Das Interview führte Claudia Zeisel.
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