Heute setzt sich Wilhelm Verwoerd für die Versöhnung in dem Vielvölkerstaat ein, unter anderem als Mitarbeiter der „Abteilung für Historisches Trauma und Wandel“ an der Uni Stellenbosch. Auch in der Niederländisch-Reformierten Kirche will er ein Umdenken anstoßen. Denn die Kirche hatte die Rassentrennung von religiöser Seite gerechtfertigt – und ringt bis heute mit der Vergangenheit. „Die Menschen sind zufrieden mit ihrer Wohltätigkeits- und Missionsarbeit. Aber sobald es um Restitution geht, wahre Versöhnung, scheint es ausweglos.“
„Schaut den Fels an, aus dem ihr gehauen seid“ – dieses Bibelzitat gab „Ouma Betsie“, die Frau des verhassten Politikers, ihrem Enkel mit auf den Weg. Um die Familiengeschichte aufzuarbeiten, begab sich Verwoerd auf Spurensuche und veröffentlichte das Ergebnis nun als Buch. Wer war sein „Oupa“, abgesehen von einem politischen Tyrannen? „Die einzige Quelle, die mir einen Einblick gab, war das Tagebuch meiner Großmutter.“ Darin lernte er den Hassideologen erstmals als liebenden Familienvater, fürsorglichen Chef und Menschen kennen.
Dennoch: Den „Missionar des Hasses“ und seinen Großvater als dieselbe Person anzuerkennen – daran scheitert Verwoerd bis heute. Er habe Angst gehabt, sein Buch könne als Versuch missverstanden werden, den Ruf des Apartheid-Architekten aufzupolieren. Doch das sei keineswegs seine Absicht. Ironischerweise bestärkte ihn genau jene Gruppe darin, das politische Monster als Vorfahr zu akzeptieren, von der er es am wenigsten erwartet hätte: seine schwarzen Freunde. „Das erlaubt mir zu sagen, er ist mein Oupa. Aber zugleich ist er die Personifizierung der Apartheid.“
Zudem schöpfte Verwoerd daraus neuen Mut, sich gegen seine Familie aufzulehnen. „Ich fühlte, dass hier eine tiefere Form von Verrat mitspielte, über die wir reden mussten. Wir hatten Blut an den Händen und waren verantwortlich für ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“ Nach langem Ringen mit sich selbst betrachtet er seinen Nachnamen heute als Vorteil im Kampf um Versöhnung. Er unterstreiche die Dringlichkeit von sozialer Gerechtigkeit.
Von Markus Schönherr (KNA)
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