Frage: Im Arabischen Frühling hat Europa ja angekündigt, die Demokratie und die Jugend der Länder Nordafrikas zu fördern. Was ist von diesen Versprechen übriggeblieben?
Vöcking: Da hat Europa auch ein wenig nachgelassen in den letzten Jahren. In den 90er Jahren fingen die Europäer an mit einem Mittelmeer-Dialog. Dieser mündete aber nur in den wirtschaftlichen Sektor. Man förderte nur noch bestimmte Industrien im Maghreb. Was man damals noch im kulturellen Bereich anstoßen wollte, ist im Sande verlaufen.
Frage: Rächt sich das jetzt, dass man diese Region aus europäischer Sicht offenbar nicht genug im Blick hatte?
Vöcking: Man darf natürlich auch nicht zuviel von Europa erwarten. Die EU hat damals den guten Willen gezeigt, etwas zu machen. Aber da fehlte dann auch der Gesprächspartner. Mit Marokko hat es besser funktioniert, da laufen auch noch bestimmte Projekte weiter – auch dadurch, dass der König von Marokko die Situation noch im Griff hat und eine gewisse Offenheit zeigt. Dennoch: Wenn Europa sich in den Konflikt in Algerien einschalten würde, wäre das auch für die jungen Leute eine Hilfe. Sie brauchen Unterstützung, das ist ganz klar. Europa könnte ihnen Rückhalt geben.
Es war lange ruhig in Algerien – da spielt die Erfahrung des Bürgerkriegs sicher mit eine Rolle. Die jungen Leute, die jetzt protestieren, waren im Bürgerkrieg noch Kinder. Sie schrecken weniger zurück vor der Konfrontation. Und sie wissen: Mit Präsident Bouteflika kann man keine Zukunft mehr gestalten.
Das Interview führte Claudia Zeisel.
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