Erzbischof Schick: Auch die Fernsten sind uns ganz nah
Sri Lanka ‐ Erzbischof Schick besuchte in der ersten Januarwoche mit einer kleinen Delegation Sri Lanka. Der jahrzehntelange Konflikt ist noch nicht beendet, schreibt er. Es sei die Kirche, die sich für Versöhnung einsetze.
Aktualisiert: 22.04.2024
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Erzbischof Ludwig Schick besuchte mit einer kleinen Delegation, bestehend aus drei Mitarbeitern der Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe (AGEH) (Heute Agiamondo) und Justitia et Pax, in der ersten Januarwoche Sri Lanka. Darüber berichtet er exklusiv auf weltkirche.katholisch.de.
Wer erinnert sich noch daran, dass 2010 aus Sri Lanka geflüchtete Tamilen den Hauptbahnhof in Frankfurt zwei Stunden lahmlegten oder die Autobahn in Ratingen bei Düsseldorf blockierten? Sie wollten damit auf den Krieg gegen ihre Familien zu Hause aufmerksam machen. Damals spürten viele Menschen in Deutschland, dass auch das ferne Sri Lanka uns ganz nah ist und dass wir vor solchen Störungen nur frei bleiben, wenn wir auch die Fernsten einbeziehen. Die Welt heute ist eine globale, ob wir es wollen oder nicht!
Uns Christen müssen aber grundsätzlich auch die Fernsten ganz nah sein, weil sie unsere Schwestern und Brüder sind und wir Verantwortung dafür tragen, dass alle Menschen ein gutes Leben in ihren Heimatländern führen können.
Die Menschen in Sri Lanka brauchen derzeit besonders unsere Nähe, die sich im Interesse für ihre Lebenssituation und in der Solidarität mit ihnen ausdrücken muss.
In Sri Lanka lebten viele Jahrhunderte lang die verschiedenen Ethnien und Religionen einigermaßen friedlich miteinander. Es gab und gibt dort die Singhalesen, die indischen Ursprungs sind, die fast 75 Prozent der ca. 21 Millionen Einwohner Sri Lankas ausmachen. Fast genausolang leben die Tamilen (16 Prozent), die ebenfalls aus Indien stammen, auf dieser Insel. Die restliche Bevölkerung setzt sich aus Ureinwohnern, deren Anzahl aber sehr abgenommen hat, und aus Einwanderern von anderen Ländern zusammen.
In Sri Lanka sind die meisten Singhalesen Buddhisten und mit über 70 Prozent die stärkste Religionsgemeinschaft. Zirka 13 Prozent sind Hindus und ungefähr 15 Prozent bekennen sich zum muslimischen Glauben; sie sind Tamilen oder von anderen Ländern Eingewanderte. Die einzige Religion, die sowohl Singhalesen als auch Tamilen sowie andere Volksgruppen umfasst, sind die Christen. Sie machen ca. 7 Prozent der Bevölkerung aus, von denen 6,1 Prozent der katholischen Kirche angehören. Der christliche Glaube wurde durch die Portugiesen schon im 16. Jahrhundert nach Sri Lanka gebracht und hat sich seitdem erhalten und ausgebreitet.
Das balancierte Zusammenleben in Sri Lanka wurde seit den 70er Jahren bis 2009 durch einen über 30-jährigen furchtbar grausamen Bürgerkrieg zerrissen; Angehörige aller Ethnien haben dabei Schreckliches erleiden müssen.
In diesen Jahren sind ca. 65.000 Tamilen, die am meisten gelitten haben, nach Deutschland geflohen, zirka 80.000 nach Tamilnadu in Indien; andere in die USA, nach Australien oder in andere Länder. Der Krieg ist im Jahr 2009 durch die Vernichtung der aufständischen Tamilen, die auch eine Armee gegründet hatten, durch die singhalesische Staatsarmee beendet worden. Der Konflikt, der über 40.000 Menschen das Leben gekostet hat, ist aber nicht beendet.
Sri Lanka möchte sich nun zu einer friedlichen Nation entwickeln. Das kann nur geschehen, wenn die Kriegswunden geheilt werden. Die katholische Kirche ist die Religionsgemeinschaft, die am besten diesen Versöhnungs- und Friedensprozess in Sri Lanka voranbringen kann und tut es auch. In allen zwölf Diözesen gibt es von Katholiken organisierte interreligiöse Gesprächsgruppen, die sich für Versöhnung und Wiedervereinigung, Gerechtigkeit und Frieden einsetzen. Dies geschieht vor allem durch die Caritas, die auch Justitia et Pax vertritt. Aber auch die Ordensgemeinschaften, wie zum Beispiel die Oblaten, haben Friedensinitiativen gegründet. Die katholischen Schulen unterrichten Angehörige aller Ethnien und Religionen und tragen so zum friedlichen Miteinander bei. Darüber hinaus gibt es auch nichtkirchliche Initiativen, die sich für Versöhnung und Frieden aller Srilanker einsetzen. Die katholische Kirche in Deutschland will durch die Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe, Justitia et Pax und Misereor mit entsprechendem Fachpersonal und finanziellen Mitteln die Friedensbildungsmaßnahmen der katholischen Kirche vor Ort unterstützen. Um diese Initiativen mit den Bischöfen und anderen Verantwortungsträgern zu besprechen und die Möglichkeiten auszuloten, wurde der Solidaritätsbesuch unternommen. „Ich bin sehr angetan von der Arbeit der Katholiken in Sri Lanka. Sie trägt dazu bei, die Wunden der Vergangenheit zu heilen, zu der auch die Aufdeckung der Verbrechen, die an der jeweiligen anderen Volksgruppe begangen wurden, gehört. Dazu müssen unter anderem die Leichen in den Massengräbern, soweit möglich, identifiziert, den Angehörigen übergeben und human bestattet werden; das Schicksal der Verschwundenen ist aufzuklären und die unrechtmäßigen Besetzungen von Dörfern und Ländereien sollen beendet werden.
Der Dialog der Versöhnung und des Ausgleichs, der Gerechtigkeit und des Friedens ist zu fördern. Staatlicherseits sollen Strukturen, die das friedliche Miteinander aller Volksgruppen und Religionen garantieren, installiert werden. Als katholische Kirche in Deutschland verfolgen wir dabei nicht eigene Pläne, sondern helfen der Kirche vor Ort, dass sie ihre Aufgabe für Gerechtigkeit und Friede erfüllen kann. Wir wollen auch den Fernsten in Sri Lanka nahe bleiben, denn sie sind unsere Schwestern und Brüder und sie sollen in ihrem Land eine gute Zukunft für alle aufbauen können“, so der Erzbischof.
Von Erzbischof Dr. Ludwig Schick
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