Aber die Christen sehen in al-Sisi einen Verbündeten gegen die Islamisten: „Er hat zum Beispiel als erster Präsident in der Geschichte an einem Weihnachtsgottesdienst teilgenommen ,“ erläutert Patriarch Sidrak. Für die Christen war der Besuch des Präsidenten ein wichtiges Zeichen der Wertschätzung, ein Zeichen gegen Terror und Hass.
In der ägyptischen Verfassung sei das Recht auf Glaubensfreiheit und der Schutz religiöser Minderheiten festgeschrieben, betont Patriarch Sidrak. „Aber es sind Terroristen und Extremisten, die die Umsetzung dieser Grundrechte verhindern.“ Das betrifft zum Beispiel das Thema Kirchenbau.
Eigentlich dürfen christliche Kirchen errichtet werden. Derzeit läuft auch der Neubau einer großen koptisch-orthodoxen Kathedrale, die 45 Kilometer von Kairo entfernt liegen wird. Mit Platz für 8 000 Gläubige soll sie die größte Kirche im Nahen Osten werden. Aber gerade in ländlichen Gebieten gibt es oft Schwierigkeiten. Die Muslimbruderschaft hat das Recht auf Kirchenbauten deutlich eingeschränkt: So dürfen etwa dort, wo sich gerade eine neue muslimische Gemeinde etabliert hat, keine christlichen Kirchen entstehen.
Auch Kirchen, die leerstehen, weil die Christengemeinde weggezogen ist, dürfen nicht wieder neu errichtet werden. Doch Patriarch Sidrak bleibt hoffnungsvoll und pragmatisch. Es führe einfach kein Weg am Dialog der Religionen vorbei, schon allein deshalb, weil sich Christen und Muslime regelmäßig im Alltag begegnen. „In unserem Land finden Sie keine einzige Region, in der nicht die verschiedenen Gruppen miteinander am selben Ort leben“.
Wichtig sei, dass die Freiheit des Glaubens einhergeht mit einer guten Entwicklung. Das eine bedingt das andere. Wo es Schulen, Krankenhäuser und Arbeitsplätze gibt, da wächst die Toleranz zwischen den einzelnen Religionen. Aber auch andersherum: Wenn sich die unterschiedlichen Gruppen friedlich verständigen, dann fördert das die Entwicklung des Landes.
Von Christian Selbherr
Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Ausgabe 3/2018 im Missio Magazin.
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