Frage: Pater Pfuff, Sie haben vor einer Woche ihr neues Amt als Leiter des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes angetreten. Im Moment ist Migration an vielen Stellen ein Streitpunkt: Asylstreit, Mittelmeer, aber auch an der US-Grenze zu Mexiko. Wie finden Sie sich da zum Einstieg zurecht?
Pater Pfuff: Dieses Thema ist ja schon jahrelang weltweit eine brisante Herausforderung. Am Mittwoch kamen die neuen Zahlen des UNHCR für 2017: Die Zahl der Flüchtlinge ist wieder deutlich gestiegen, auf 68,5 Millionen Menschen weltweit. Und von denen sind 2017 nicht mal 200.000 nach Deutschland gekommen. Was da weltweit passiert, ist uns in Deutschland eben erst seit 2015 wirklich ins Bewusstsein gerückt.
Was meinen Einstieg in die Arbeit beim JRS angeht: Ich war ja früher schon in meiner Arbeit immer wieder mal mit den Problemen von Migranten und Flüchtlingen befasst, habe immer wieder als Seelsorger mit Spätaussiedlern und Menschen aus Afrika zu tun gehabt, und zuletzt am Canisius-Kolleg mit geflüchteten Jugendlichen.
In den USA, wo ich das vergangene Jahr gewesen bin, wird über dieses Thema auch sehr hitzig gestritten. Sowohl in den USA wie auch hier in Deutschland hat sich die Art und Weise, wie über Geflüchtete gesprochen wird, sehr verändert. In Deutschland sind es auch Angehörige christlicher Parteien, die rechtsextreme Schlagworte salonfähig machen. Dass sich eine Sprache verbreitet, die das Mitgefühl erstickt und das Leiden auf der Flucht verharmlost: das macht mir Sorgen.
Frage: Können Sie nachvollziehen, dass der Unionsstreit an der Frage der Migration derart eskaliert ist?
Pater Pfuff: Nein. Die Politik lässt sich von wenigen lautstarken Stimmungsmachern treiben und ignoriert die Millionen von Menschen, die sich vor Ort in der Flüchtlingsarbeit engagieren. Und da passiert doch so viel Positives: da gibt es viel Gelingendes, viele gute Begegnungen und gewachsene Beziehungen. Es gibt so viele gute Nachrichten, die es nie in die Medien schaffen.
Dieser Asylstreit lässt sich sachlich nicht erklären, dass ein paar Tausend Asylsuchende – und um mehr geht es bei der Frage der Zurückweisung an den europäischen Grenzen nicht – als Vorwand für eine Regierungskrise genommen werden. Ich finde es unverantwortlich, dass Asylsuchende dafür instrumentalisiert werden. Obwohl Asylsuchende und anerkannte Flüchtlinge nur zwei Prozent der Bevölkerung ausmachen, richtet sich alle Aufmerksamkeit auf die Abwehr und Kriminalisierung von Flüchtenden. Wenn der Innenminister die Regierung zwingt, alles von diesem einen Thema abhängig zu machen, geraten die politischen Verhältnisse aus den Fugen. Das erweckt den Anschein, als gebe es keine anderen Aufgaben – in Bezug auf Wohnungsbau, Bildungssystem, Rentensicherheit, Gesundheitswesen, Digitalisierung oder Klimawandel. Wenn stattdessen Nationalismus und eine angeblich einheitliche Identität, für die sogar das Kreuz herhalten muss, die Antwort auf Fragen unserer Zeit sein soll: Dann begeben wir uns auf eine abschüssige Bahn.