Frage: Wie haben sich Sozialprogramme wie „Bolsa Família“ auf das Leben der Indigenen ausgewirkt? Wird ihr ursprünglicher Lebensstil dadurch beeinträchtigt?
Paloschi: Viele indigene Gemeinschaften leben mehr oder weniger in die brasilianische Gesellschaft integriert: Sie arbeiten, erhalten Lohn, verkaufen oft selbsthergestellte Produkte und kaufen Güter. Kurzum: Geld ist also eine Realität im Leben vieler Völker. „Bolsa Família“, das einige beziehen, ist eines ihrer Grundrechte, genau wie für alle anderen Brasilianer. An sich ist das nichts Negatives. Und in vielen indigenen Gemeinschaften teilt man sich diese Einkünfte.
Frage: Hoffen Sie bei den Wahlen im Oktober auf einen Kongress, der den Indigenen gegenüber freundlicher gestimmt ist?
Paloschi: Aktuell haben wir den konservativsten Kongress überhaupt. Natürlich hoffen wir, dass sich die Lage bessert. Es gibt gute Leute, die sich für Gerechtigkeit einsetzen – auch wenn es wenige sind. Es wird aber einige indigene Kandidaten geben, Leute, die sich für ihr Volk einsetzen. Da es bislang in Brasilien keine wirkliche politische Reform gegeben hat, sehe ich allerdings in Bezug auf grundlegende Veränderungen eher schwarz.
Frage: Aber Sie gelten generell als Optimist was die Zukunft der indigenen Völker Brasiliens angeht?
Paloschi: Die Indigenen selbst geben den Weg vor. Als Kirche stellen wir uns in ihren Dienst, versuchen, ihnen Räume zu eröffnen, wo sie gehört werden können. Seitdem wir im Jahre 1974 mit unserer Arbeit zugunsten der Indigenen angefangen haben, konnten sich die Völker mehr oder weniger halten. Sie kämpfen weiter für ihre Rechte auf Land, auf Bildung und Gesundheit. Derzeit sind es 305 Völker, dazu kommen wohl noch rund 100 isoliert lebende Völker ohne Kontakt. Seit so vielen Jahren leisten sie Widerstand. Das stärkt bei uns die Hoffnung und den Optimismus.
Das Interview führte Thomas Milz.
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