Frage: Als Fachkraft der Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe (AGEH) sind Sie schon seit sieben Jahren im Südsudan. Was sind die Gründe für die jüngsten Kämpfe in dem Land?
Kämpf: Die Ursachen liegen zum Teil in ethnischen Spannungen, die sich über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte aufgebaut haben. Im Südsudan gibt es mehr als 60 verschiedene Stämme. Und die haben unterschiedliche Lebensweisen. Es ist ein verbreitetes Problem in Afrika, aber auch in anderen Teilen der Welt, dass Viehhirten mit Farmern in Konflikt geraten, wenn diese sich in der Trockenzeit auf der Suche nach Futter für ihre Tiere auf Feldern niederlassen. Der andere Grund, warum es jetzt eskaliert, ist im individuellen Machtstreben einzelner Leute zu sehen, die bestimmte ethnische Gruppen anführen, und die rücksichtslos versuchen, ihre eigenen Ziele durchzusetzen.
Frage: Wie kann den Menschen im Südsudan jetzt am schnellsten geholfen werden? Wo wird die Hilfe am dringendsten benötigt?
Kämpf: Das Wichtigste im Moment ist einfach Essen oder zumindest bezahlbares Essen. Es wird im Südsudan so gut wie nichts für den Markt produziert. Die meisten Nahrungsmittel müssen importiert werden. Die einheimische Währung hat in den vergangenen anderthalb Jahren ungefähr 90 Prozent ihres Wertes verloren und die Händler versuchen diesen Verlust weitestgehend auf den Marktpreis aufzuschlagen, so dass sie sich schadlos halten. Die meisten Leute verdienen aber keine harte ausländische Währung. Das alles hat katastrophale Auswirkungen für Leute, die sich ihr Essen auf dem Markt kaufen müssen. Darüber hinaus bringt der aktuelle Konflikt das Problem mit sich, dass viele Gegenden unsicher geworden sind und deswegen viele Leute nicht mehr auf die Felder gehen und selber Nahrungsmittel produzieren können. Das heißt: Sie sind mehr denn je auf den Markt mit seinen astronomischen Preisen angewiesen. Die Situation ist wirklich dramatisch.
Frage: Das Kindermissionswerk „Die Sternsinger“ und Misereor haben mit ersten Nothilfen in Höhe von jeweils 100.000 Euro Projektpartner in Wau und auch in Juba unterstützt. Wer koordiniert die Hilfsmaßnahmen in der Diözese Wau, jetzt wo Sie und andere Helfer das Land verlassen haben?
Kämpf: Ich bin froh, dass wir einen sehr guten Nothilfekoordinator haben, Father Moses Peter in der Diözese Wau. Der wächst im Moment über sich hinaus. In den Tagen, nachdem es bei uns in Wau zu Kämpfen gekommen war, haben wir überwiegend Hilfe von kirchlichen Einrichtungen bekommen, darunter auch vom Kindermissionswerk „Die Sternsinger“ und von Misereor. Wir konnten deswegen sehr schnell auf die Notlage der Leute reagieren. Aber man muss auch über den Tag hinaus denken, und da sehe ich große Probleme für die nächsten Monate, wahrscheinlich sogar bis Mitte nächsten Jahres. Weil dann erst wieder geerntet werden kann, wenn der Frieden eintritt und wenn die Leute wieder auf die Felder gehen können, ohne ihr Leben zu riskieren.
Frage: Wie könnte eine Lösung des blutigen Konflikts im Südsudan aussehen? Was kann die internationale Gemeinschaft zur Herstellung eines dauerhaften Friedens beitragen?