Frage: Sondern?
Schirmel: Das Spektrum reicht von traditionellen Auseinandersetzungen zwischen Ackerbauern und umherziehenden Viehzüchtern, deren Ziegen und Rinder die Ernte der sesshaften Bevölkerung zertrampeln, über Grenzstreitigkeiten zwischen Landkreisen bis hin zu einem brutalen Kampf um Macht und Ressourcen. Alle Konflikte sind auf engste miteinander verwoben.
Frage: Könnten aber diese Ressourcen nicht den Weg weisen, um dem krisengeschüttelten Staat wenigstens wirtschaftlich wieder auf die Beine zu helfen? Im Boden des Südsudans sollen immerhin 80 Prozent der Erdölvorräte des gesamten Sudans lagern.
Schirmel: Derzeit sind die Preise im Keller. Und um das Öl auf den Weltmarkt zu bringen, muss es durch den Sudan geleitet werden. Dafür fallen Gebühren an. Im Moment ist die Produktion nicht wirtschaftlich. Ohnehin bliebe nur ein Bruchteil der Gewinne im Land.
Frage: Im Südsudan gibt es auch andere Bodenschätze.
Schirmel: Ja, aber bisher wird nur Gold von Kleinschürfern gefördert, und dies seit einigen Jahrzehnten. Den Kleinschürfern hilft dies beim Kampf ums Überleben. Aber Gewinne machen vor allem die Händler, die das Gold außer Landes schmuggeln. Auch in diesen Handel ist die militärische und politische Elite involviert.
Frage: Stehen Hilfsorganisationen angesichts dieser Zustände nicht auf verlorenem Posten?
Schirmel: Die Lage ist ohne Zweifel dramatisch. Die Devisenreserven sind aufgebraucht. Das hat zur Folge, dass die Umsetzung vieler internationaler Großprojekte massiv ins Stocken geraten ist, da sie über Dollarzahlungen abgewickelt werden.
Frage: Was ist mit dem südsudanesischen Pfund?
Schirmel: Fehlanzeige bei einem Wertverlust von 600 Prozent allein im vergangenen Jahr. Dieser Trend dürfte sich fortsetzen. Ich habe noch nie so viele neue Scheine in Händen gehalten wie jetzt im Südsudan. Weil die Dollarreserven aufgebraucht sind, lässt die Regierung neues Geld drucken.
Frage: Was also können Sie tun?
Schirmel: Graswurzelarbeit leisten und die wundersamerweise immer noch vorhandenen Strukturen der Selbstversorgung stärken. Als kirchliches Hilfswerk profitieren wir dabei auch von dem Ansehen der Kirchen in dem christlich geprägten Land. Diese sind zwar auch von den vielen Konflikten im Südsudan gezeichnet. Aber sie gelten als einer der wenigen verlässlichen Ansprechpartner und haben enge Verbindung zur Basisbevölkerung. Vielleicht brauchen wir einfach einen noch längeren Atem als andernorts.
Frage: Inwieweit sind Sie auf eine bevorstehende Hungerkatastrophe vorbereitet? Die UN warnten bereits davor, dass aufgrund des Klimaphänomens El Nino jeder vierte Südsudanese auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen ist.
Schirmel: Es ist derzeit extrem trocken und heiß im Südsudan. Aber noch lässt sich schwer abschätzen, ob daraus eine Hungerkatastrophe wird. Sicher ist nur: Wenn es auch noch dazu kommt, wäre das ein Desaster.
Von Joachim Heinz (KNA)
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