An die Ränder gehen
Den in Europa gängigen kirchenpolitischen Klischees entzieht sich Wirz. Auch darin ist er ein Geisterverwandter des Papstes aus Buenos Aires. Theologisch eher konservativ: „Fakt ist die Seelsorge.“ Der von Franziskus geforderte Gang an die Peripherie habe „nun mal Konsequenzen“. Wirz kennt und praktiziert ihn. Neben dem Bischofshaus ist eine Anlaufstelle für Drogenabhängige, organisiert von Kapuzinern. Und das in direkter Nachbarschaft des mondänen Badeortes Punta del Este, so etwas wie das lateinamerikanische Saint Tropez. Dort trifft sich der Jet-Set, von Naomi Campbell über Richard Gere bis zu Facebook-Gründer Mark Zuckerberg.
Wo Geld ist, ist Kokain nicht weit: Vor knapp 15 Jahren erlitt in Punta Argentiniens Fußballgott Diego Maradona nach Kokaingenuss einen schweren Zusammenbruch. Die, die kein Geld haben, besorgen sich mit Überfällen Bares, um ihre Sucht zu befriedigen. Die Beschaffungskriminalität im Land steigt seit Jahren an. Als Maßnahme im Kampf gegen illegale Drogen und den damit verbundenen Kartellen hat der Staat in diesem Jahr unter strengen Auflagen den Anbau und Handel von Cannabis legalisiert – als erstes Land weltweit. Ob das Experiment glückt, wird sich zeigen.
Der Uruguayer aus dem Rheinland
Drogenpolitik gehört zu den Punkten, in denen die Kirche und Staatspräsident Jose Mujica nicht einer Meinung waren. Ansonsten bescheinigt Wirz aber dem nun aus dem Amt scheidenden, genügsam lebenden Ex-Guerillo, dass wir „in vielen Dingen dieselbe Sprache“ sprechen. Auch Politik ist ein Bereich, an dem sich Wirz nicht in Schablonen pressen lassen will. Persönliche Bekenntnisse legt er außer in Glaubensfragen nur ab, wenn es ums Rheinland geht. Immer wieder kehrt er zurück und pflegt Kontakte, zuletzt im Herbst, als er vor der Familiensynode in Rom noch mal schnell nach Bonn und Köln kam.
Insgesamt ist er indes ein echter Uruguayer geworden, der sich auch genau an den vielleicht wichtigsten Tag in der Geschichte des Landes erinnert: „Es war der 16. Juli 1950, und die Straßen waren voll.“ Die „Celeste“, die Himmelblauen, gewannen im Maracana-Stadion von Rio de Janeiro gegen den ungeliebten Nachbarn Brasilien ihren zweiten Fußball-WM-Titel. Bei der Wahl von Heißgetränken aber liegt für Wirz immer noch Deutschland vorn: Das Nationalgetränk „Mate trinke ich nur in Gesellschaft. Kaffee ist mir lieber.“
Von Michael Jacquemain (KNA)