
100 Tage Papst Leo XIV. – Von stürmischer See in ruhige Gewässer
Vatikanstadt ‐ Auf „Wolke 7“ schwebten viele nach der Wahl von Leo XIV. Nach 100 Tagen im Amt sind die „Flitterwochen“ nun fast vorbei, doch viel hat der neue Papst der Welt noch nicht von sich preisgegeben. Beziehungsstatus: unklar.
Aktualisiert: 07.08.2025
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Es ist ruhig geworden um den Vatikan. Nach anfänglicher Euphorie um den ersten US-amerikanischen Papst haben sich die Berichte über Leo XIV. in der internationalen Presse reduziert. Der gebürtige Chicagoer liefert für das eher kirchenferne Publikum schlicht keine Schlagzeilen. Bedacht liest er seine vorbereiteten Ansprachen ab, die seltenen Abweichungen sind nicht erwähnenswert. Er geht freundlich auf Menschen zu, seine Nahbarkeit wirkt authentisch, doch zugleich immer ein wenig distanziert.
Ganz sicher angekommen scheint Leo nach 100 Tagen (16. August) noch nicht in seinem Amt als Oberhaupt von 1,4 Milliarden Katholiken weltweit. Mitunter etwas erstaunt betrachtet er die Menschenmengen, die seinetwegen aus aller Welt nach Rom anreisen.
Sein Vorgänger Franziskus hätte für jeden Nachfolger große Fußstapfen hinterlassen. Der Argentinier war das, was man außerhalb der katholischen Kirche wohl als „Rampensau“ bezeichnen würde. Die Nähe zu Menschen war sein Lebenselixier. Ohne Berührungsängste ging er auf jeden und jede zu und begeisterte damit auch Nicht-Gläubige. Er verabscheute päpstliche Statussymbole und vermied weder Konflikte noch Fettnäpfchen, die immer wieder zu diplomatischen Erschütterungen führten.
Seine Sprache war direkt, die Inhalte meist spontan und mitunter zweideutig. Die vom Staatssekretariat sorgfältig vorbereiteten Ansprachen dienten Franziskus höchstens als Vorschlag, von dem er ein ums andere Mal abwich – oder am liebsten gleich den Journalisten seine Meinung ins Mikrofon sagte. Oft sorgte er damit für Schlagzeilen und eine erhebliche Reichweite in den Medien.
Genau diese Schlagzeilen scheint Leo vermeiden zu wollen. Die Spannungen, die Franziskus mit seiner Art und seinen Reformen in Vatikan und Weltkirche auslöste, ebenso. Denn deren direkte Auswirkungen erlebte er in den vergangenen zwei Jahren als Leiter der Bischofsbehörde hautnah mit. Bis er seinen eigenen Umgang mit dem Amt gefunden hat, nutzt er das strenge vatikanische Protokoll als Sicherungsleine, überlässt erfahrenen Redenschreibern den Umgang mit theologischen wie politischen Themen.
Den Menschen zugewandt
Äußerlich orientiert sich Leo XIV. an den Päpsten vor Franziskus – bis auf die schwarzen Schuhe. Der 69-Jährige lässt den Ringkuss wieder zu und trägt die Mozetta, den roten Schulterkragen aus Seide. Er wird in die für Päpste vorgesehene Wohnung im Apostolischen Palast ziehen und begibt sich im römischen Hochsommer nach Castel Gandolfo. Franziskus bevorzugte den Daueraufenthalt im vatikanischen Gästehaus Santa Marta – ohne Urlaub.
Bei der äußerlichen Inszenierung mag der Amerikaner konservativ sein. Inhaltlich, insbesondere was die Teilhabe aller Gläubigen an Entscheidungsprozessen in der katholischen Kirche angeht, ist Leo ganz auf Linie seines Vorgängers. So können derzeit alle katholischen Lager „ein Stückchen Papst“ für sich beanspruchen und wirken zufrieden. Ikonische Momente, die ganze Pontifikate prägten wie Franziskus' offene Kirche für „alle, alle, alle“, fehlen bisher noch in Leos Portfolio.
Doch ist auch der neue Papst den Menschen zugewandt und für Scherze zu haben. Auf Tuchfühlung geht er jedoch ungern und verzichtet aus diesem Grund wohl auf Selfies. Deutlich gelöster als in einer Umarmung wirkt er bei den zahlreichen Fahrten im Papamobil, bei denen er viele Menschen gleichzeitig begrüßen kann und für jeweils nur einen kurzen Moment in deren Rampenlicht steht. Auf der großen Bühne hingegen wirkt der US-Amerikaner eher schüchtern, hält die Hände vor dem Bauch verschränkt, wippt und zieht immer wieder die Schultern hoch. Seine Stimme steht sinnbildlich für die (noch) angezogene Handbremse seines Pontifikats. Ihr Erheben gleicht mehr einem Drücken, als würde Leo sich selbst noch zurückhalten, aber die emotionalen Erwartungen erfüllen wollen.
Der Papst und die Menschen befinden sich nach 100 Tagen noch in der Kennenlernphase. Mögliche Schwerpunkte des Pontifikats lassen sich nur vermuten. Zudem gab Leo XIV. bislang keine Interviews, die Rückschlüsse auf sein Denken zuließen. An seinem ersten Grundsatzschreiben, einer Enzyklika, soll der 69-Jährige bereits arbeiten, doch das mögliche Themenspektrum ist weit. Ebenso stehen noch wichtige Personalentscheidungen in der Kurie aus, die Hinweise auf Leos künftigen Weg geben können.
Leo ist der erste Papst aus den USA, der erste Augustiner und war vor seiner Wahl erst zwei Jahre lang ein Kardinal und in einem Kurienamt. Derzeit führt er viele Gespräche mit seinen – vorerst bestätigten – Behördenleitern und scheint seine Entscheidungen in aller Ruhe und vor allem mit Bedacht treffen zu wollen. Die durch Franziskus mitunter erschütterte Kirche soll und will er wieder zu mehr Einigkeit führen. Zugleich müssen die von seinem Vorgänger angestoßenen Reformen entschlossen umgesetzt werden.
Das neue Kirchenoberhaupt darf die Welt außerhalb der „katholischen Blase“ nicht aus dem Blick und die Stimme der Kirche nicht an zu viel Reichweite verlieren. Ob das gelingt, wird sich nach den „Flitterwochen“ zeigen.

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