
Große Erwartungen an den neuen Papst
Vatikanstadt ‐ Am 8. Mai wurde der neue Papst Leo XIV. gewählt, ein Mann mit Wurzeln auf mehreren Kontinenten. Am Sonntag trat er offiziell sein Amt an – das er ganz offensichtlich nicht auf die leichte Schulter nehmen wird.
Aktualisiert: 19.05.2025
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Seit zehn Tagen ist Yvonne Castillo überglücklich. „Ich habe in den letzten Jahren zweimal die Woche mit dem künftigen Papst gegessen – ohne es zu ahnen!“, sagt die Ordensfrau aus Santo Domingo in Peru und lacht. Jetzt steht sie zusammen mit Freunden, Mitschwestern und Zehntausenden weiteren Menschen aus aller Welt auf dem Petersplatz, um Papst Leo XIV. zu feiern, der an diesem Sonntag offiziell in das Amt als Oberhaupt der 1,4 Milliarden Katholiken eingeführt wird.
Robert Francis Prevost, der vor 69 Jahren in Chicago geboren wurde, hat auch einen peruanischen Pass, weil er dort lange Missionar und Bischof war. Außerdem war der erste US-Amerikaner im Papstamt oberster Chef des Augustinerordens und zuletzt ab 2023 Leiter der vatikanischen Bischofsbehörde. „Dienstags und freitags haben wir immer zusammen in unserer Ordenszentrale hier in Rom zu Mittag gegessen“, berichtet Schwester Yvonne, Mitglied der zu den Augustinern gehörenden Kongregation der Töchter des Heiligsten Erlösers.
„Er ist ein ganz schlichter, freundlicher Mensch, hat alle begrüßt, sich beim Essen nicht bedienen lassen. Anschließend haben wir dann immer noch zusammen einen Kaffee getrunken“, sagt die Ordensfrau, deren Gewand genauso weiß ist wie das des Papstes. „Und er hat auf unserem Platz Tennis gespielt!“ Die Partie, die der am 8. Mai gewählte Papst heute zu bestreiten hat, kostet den Mann mit der geübten Rückhand sichtlich mehr Mühe.
Nicht nur, weil auf der Tribüne Staats- und Regierungschefs aus aller Welt sitzen, darunter Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella und Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, Perus Präsidentin Dina Boluarte, US-Vizepräsident JD Vance und Außenminister Marco Rubio, ebenso der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sowie Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) mit Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD).
Dabei hat Leo XIV. das Publikum von Anfang an auf seiner Seite. Den mit einer Vielzahl hochsymbolischer Momente gespickten Tag beginnt er um neun Uhr mit einer Begrüßungstour im Papamobil. Applaus und „Viva il Papa“ ertönt, als der weiße Jeep auf den Petersplatz rollt. Leo winkt und grüßt lächelnd nach allen Seiten. „Er sieht so jung aus“, bemerkt Maria Carmela aus Palermo erfreut, die anlässlich des Pilgerevents Heiliges Jahr 2025 nach Rom gekommen ist.
Jubel brandet auf, als der neue Papst stoppen lässt, um die neun Monate alte Magdalena zu segnen, die ihm von Vater Michele über die Absperrung gereicht wird. Schon um sechs Uhr hatte sich die Familie aus Ligurien auf den Petersplatz gestellt, um den Papst zu sehen.
„Einfach ein normaler Mensch“
Vielleicht hätte Leo auch gerne selbst am Steuer gesessen: Der neue Papst ist nicht nur bekannt als Hobby-Tennisspieler, sondern auch als leidenschaftlicher Autofahrer; zudem nutzt er seit Jahren Soziale Medien und geht ins Fitnessstudio. „Irgendwie ein normaler Typ“, meint Leszek aus Krakau, der mit seiner Frau Viola eigens für die feierliche Amtseinführung nach Rom geflogen ist. „Aber ich glaube, er ist sehr spirituell und welterfahren. Das brauchen wir heute alles in der Kirche.“
In der rund zweistündigen Messe, die mit ihrer Liturgie und feierlichen Gesängen in vielen Sprachen manchen Gänsehautmoment beschert, erhält Leo die wichtigen päpstlichen Insignien: den Fischerring und das wollene Band namens Pallium. Als ihm zwei Kardinäle die Symbole seiner schweren Aufgabe als Hirte einer versprengten Herde überreichen, hat der „US-Peruaner“ Tränen in den Augen. Die Herzen der 200.000 Menschen auf und rund um den Petersplatz hat er damit endgültig erobert. „Er ist einfach ein normaler Mensch“, sagt Dorothea aus Stuttgart. „Und mit seiner weltweiten Erfahrung ist er ein echter Global Player, der für Frieden steht“, ist die Pädagogin überzeugt.
Jay, Finanzmanager aus North Carolina, freut sich, dass Leo XIV. bei seinem ersten Auftritt als Papst die traditionelle Mozzetta getragen hatte, eine Art Pelerine, auf die Papst Franziskus stets verzichtete. „Die Kirche hat eine 2.000-jährige wunderschöne Tradition, die sollte man nicht einfach wegwerfen“, meint der Mann mit der bunten Krawatte – sichtlich stolz auf den Landsmann auf dem Stuhl Petri.
Einen der besonderen Momente markiert der Gehorsamsritus: Neun Männer und drei Frauen geloben dem Papst stellvertretend für „das Volk Gottes“ Treue; darunter auch ein Ehepaar und zwei Jugendliche sowie die obersten Repräsentanten der Frauen- und Männerorden. Drei Kardinäle vertreten dabei Nord- und Südamerika sowie Ozeanien: Kardinal Frank Leo von Toronto, Kardinal Jaime Spengler von Porto Alegre in Brasilien und Kardinal John Ribat von Port Moresby in Papua-Neuguinea. Besonders herzliche Umarmungen gibt es für einen Bischof und einen Priester aus Peru.
Dass er in seiner Amtsausübung auf das „Volk Gottes“ angewiesen ist, dürfte dem 267. Papst sehr bewusst sein. „Ich wurde ohne jegliches Verdienst ausgewählt und komme mit Furcht und Zittern zu euch als ein Bruder, der sich zum Diener eures Glaubens und eurer Freude machen und mit euch auf dem Weg der Liebe Gottes wandeln möchte, der möchte, dass wir alle eine einzige Familie sind“, bekennt er in seiner gut zehnminütigen Predigt, die mehrfach von Beifall unterbrochen wird.
Er spricht von „zu viel Zwietracht, zu vielen Wunden, die durch Hass, Gewalt, Vorurteile, Angst vor dem Anderen und durch ein Wirtschaftsmodell verursacht werden, das die Ressourcen der Erde ausbeutet und die Ärmsten an den Rand drängt“. Und beschwört Einheit, Gemeinschaft und Geschwisterlichkeit. „Schaut auf Christus!“, ruft er. „Hört auf sein Angebot der Liebe, damit ihr zu seiner einen Familie werdet: In dem einen Christus sind wir eins.“ Unter den Augen von Hunderten Mächtigen der Welt auf den Tribünen am Petersdom appelliert er an alle Menschen, sich gemeinsam auf den Weg zu machen, um eine neue friedliche Welt aufzubauen. Beifall für Gedanken, die auch von seinem Vorgänger Franziskus geprägt sind.
Pünktlich um zwölf Uhr spricht Leo dann das Mittagsgebet, erinnert an die leidenden Menschen im Gazastreifen und an die „gequälte Ukraine“, die darauf warte, dass es endlich Friedensverhandlungen gebe. Dabei übernimmt er sogar die Diktion seines Vorgängers. Zum abschließenden „Regina Coeli“ erhebt er erneut seine Stimme. Denn trotz seiner sichtlichen Rührung ist Leo XIV. in der Lage, den Ton zu treffen. Nicht nur beim Singen.

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