
Stefan Oster: „Durch Funktionalisierung und Ökonomisierung bleibt das Menschliche auf der Strecke.“
Passau ‐ Der neue Papst schreibt den Umgang mit Künstlicher Intelligenz ganz oben auf seine Agenda. Ein deutscher Bischof sieht bei dem Thema neben Chancen auch große Risiken– und einen Tech-Milliardär als Gefahr.
Aktualisiert: 14.05.2025
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Der Passauer Bischof Stefan Oster ist neuen Medien gegenüber sehr aufgeschlossen. Im Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) spricht er über virale Internethits und seine noch frischen Erfahrungen als Videopodcaster. Aber auch der Übergang vom Pferd zur Dampfmaschine kommt zur Sprache. Und Elon Musk.
Frage: Bischof Oster, die Bibel besteht aus mehr als 60 Büchern und über drei Millionen Buchstaben. Fassen Sie doch mal ihre Kernbotschaft in 240 Zeichen zusammen.
Bischof Stefan Oster: Die Bibel erzählt von vorn bis hinten direkt oder indirekt von Jesus Christus. Das ist der eine Schlüssel zum Verständnis. Der andere: Gott ist Liebe, die umsonst ist.
Frage: Das sind 167 Zeichen, Respekt! Sie sind schon länger im Netz auf ausgewählten Social-Media-Kanälen unterwegs. Aus welchen Gründen entscheiden Sie sich für welche Plattform?
Oster: Angefangen habe ich mit Facebook. Das war damals auch bei jungen Leuten beliebt. Ich habe immer nach einer Möglichkeit gesucht, das Evangelium auch in dieser neuen Internetwelt zu verkünden. Vor dem Weltjugendtag 2018, damals war ich deutscher Jugendbischof, sagten meine Medienleute, ich soll doch auf Insta gehen, dort seien alle Jugendlichen jetzt. Ich hab das damals total unterschätzt, weil ich dachte, auf Instagram läuft nicht mehr als nette Bildchen – nein, es ist mehr! Und so hat sich das ausgeweitet.
Frage: In der Corona-Zeit starteten Sie von Ihrem Wohnzimmer aus einen Youtube-Kanal. Vor kurzem sind Sie mit einem Videopodcast auf Sendung gegangen. Wie sind Ihre ersten Erfahrungen?
Oster: Wir wissen ja inzwischen, dass auch längere Formate Aufmerksamkeit erfahren. Mein letztes Videogespräch mit Magazinjournalist Tobias Haberl haben schon nach zwei Tagen mehr als 10.000 Menschen angesehen. Viele die ganze Stunde, viele nur wenige Minuten, aber 20 Minuten sind Durchschnitt. Es gibt also einen Bedarf an tieferen Gesprächen und nicht nur an Krawall, Emotionalisierung und Polarisierung.
Frage: Sie polarisieren nicht?
Oster: Mit dem, was als mein theologisches Profil wahrgenommen wird, wohl schon. Für manche gibt es dann nur schwarz oder weiß, weil sie vorher schon zu wissen meinen, was kommt. Mein eigenes Ziel ist aber: Ehrliches Zuhören, eigene Überzeugungen in einem guten Ton kommunizieren und jederzeit gesprächsbereit sein.
Frage: Verglichen mit einem normalen Gottesdienstbesuch sind vier- bis fünfstellige Zahlen beachtlich, im Verhältnis zu viralen Internetvideos marginal. Sie hatten 2024 selbst einen solchen Hit mit fast zwei Millionen Abrufen. Welche Schlüsse ziehen Sie daraus?
Oster: Gar nicht so viele. Der Effekt beruhte wohl vor allem darauf, dass ich dabei selber so lachen musste. Bischof Oster erzählt zu Ostern einen Witz und verliert die Fassung: Das ist offenbar interessant für viele und auch so ein Image-Booster. Ich werde noch oft darauf angesprochen. Nun gibt es bei uns im deutschen Sprachraum kaum christliche Influencer mit konstant vier- bis fünfstelligen Zahlen an Followern. Anders als in den USA oder der spanischsprachigen Welt, wo sie ein Millionenpublikum erreichen. Ob das auch bei uns möglich wäre?
„Manchmal denke ich, die digitale Revolution fordert die Menschheit stärker heraus als der Übergang vom Pferd auf die Dampfmaschine oder vom Feuer auf die Zentralheizung.“
Frage: Algorithmen von Internet-Konzernen wie Facebook und X werden verantwortlich gemacht für die Erosion demokratischen Bewusstseins. Haben Sie eine Idee, wie dem beizukommen ist?
Oster: Paradoxerweise hat die moderne Medienwelt großen Anteil daran, dass die Medienkompetenz sinkt. Studenten fällt es schwer, Bücher zu lesen, Telefonieren scheint auch ein Problem geworden zu sein. Manchmal denke ich, die digitale Revolution fordert die Menschheit stärker heraus als der Übergang vom Pferd auf die Dampfmaschine oder vom Feuer auf die Zentralheizung. Vielleicht sind wir überfordert mit alledem.
Frage: Schon mal einen Chatbot zum Aufhübschen einer Predigt genutzt?
Oster: Nein. Aber vor Kurzem habe ich ChatGPT eine Laudatio schreiben lassen zu irgendeiner Einladung. War ganz nett, einiges war auch verkehrt und im Ganzen traf es nicht meinen Ton. Ich kenne noch kein Programm, das so klingt wie das, was ich geschrieben habe.
Frage: Dafür werden Sie sich einen digitalen Zwilling gezielt mit Ihrem Slang anfüttern müssen. KI verändert aber jetzt schon das kirchliche Leben. Wo sehen Sie Chancen?
Oster: Vielleicht bei der Analyse komplexer Datenmengen. Aber in der Seelsorge? Stellen Sie sich vor, Sie kaufen ein teures Gemälde von Van Gogh, weil sie den Maler lieben. Hängen es bei sich auf und erfahren dann, dass es eine Fälschung ist. Wie geht es Ihnen damit?
Frage: Moment. Eine kostspielig erworbene Fälschung muss enttäuschen. Aber massenhaft werden Werke des Künstlers auf Plakate gedruckt, die Wohnzimmer und Büros verschönern, ohne die Qualität des Originals zu haben. Wenn der Chatbot in der Telefonseelsorge so tut, als ob er Ihnen aktiv zuhört, und Ihnen das guttut? Wäre das nicht besser als überhaupt niemanden zu erreichen?
Oster: Also eine Maschine kann mir vielleicht einen nützlichen Rat, eine Auskunft geben, aber tiefes Verstehen in echter Begegnung, das befreiend und lösend wirkt, das kann sie nicht. Maschinen sind immer nur funktional. Zuwendung in Liebe ist nach meinem Verständnis stets umsonst – im doppelten Wortsinn: geschenkt, aber auch vergeblich. Wahre Liebe gibt es nicht ohne Bereitschaft zur Hingabe.
Frage: Und wenn sich gar nicht mehr unterscheiden lässt, ob Äußerungen von echten Menschen kommen oder maschinengeneriert sind?
Oster: Da gerät Personalität unter die Räder. Das ist in unserer materialistischen Kultur sowieso schon angelegt. Durch Funktionalisierung und Ökonomisierung bleibt das genuin Menschliche auf der Strecke. Was das Christentum der Welt beigebracht hat, ist: Dass der Mensch Person ist. Ich frag mich: Sind wir dabei, genau das wieder zu verlieren? Die Würde der Person?
Frage: Elon Musk sagt, das größte Versagen der westlichen Kultur bestehe in übertriebener Empathie.
Oster: Ich sehe darin einen Generalangriff auf das Christentum. Das eigene Ego kleiner machen, um einen anderen größer werden zu lassen – das will einer wie Musk nicht mehr.

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