
Bangen um Rumäniens europäische Zukunft
Bukarest ‐ Russische Troll-Armeen, ein rechtsextremer Fast-Präsident und Sorge um die Nato-Ostflanke: Am Sonntag geht der rumänische Wahlkrimi in die nächste Runde. Europa blickt gespannt auf die Wahlwiederholung.
Aktualisiert: 30.04.2025
Lesedauer:
Zum zweiten Mal innerhalb eines halben Jahres sind die Rumänen am Sonntag aufgerufen, ihren neuen Präsidenten zu wählen. Den Urnengang vom vergangenen November hatte unter dubiosen Umständen der rechtsextreme Calin Georgescu (63) gewonnen. Er profitierte von einer massiven Kampagne auf TikTok, deren Spur nach Moskau führte. Auch zu Cyber-Angriffen soll es laut dem rumänischem Geheimdienst gekommen sein. Ebenfalls fragwürdig: die Wahlkampffinanzierung, die Georgescu mit null deklariert hatte.
Von der Wahlwiederholung, die die Verfassungsrichter anordneten, ist der Ultranationalist jedenfalls ausgeschlossen - eine Entscheidung, die in Rumänien auf Kritik stieß. So hätten die Wahlbehörde und die Justiz „wenig konkrete Beweise“ vorgelegt, die Georgescus Ausschluss und eine Wahlwiederholung rechtfertigten, meint Roxana Stoenescu, Dozentin an der Babes-Bolyai Universität in Cluj-Napoca (Klausenburg). „Das ist für die rumänische Gesellschaft ein großer Einbruch in die Demokratie gewesen und wird von allen Schichten stark kritisiert.“
Selbst im neuen Wahlanlauf hätte Georgescu gute Chancen zu siegen. Zwar nicht haushoch, da Rumäniens Gesellschaft noch gespaltener sei als im November und viele eingesehen hätten, dass leere Versprechen gegeben wurden, so Stoenescu. „Allerdings ist die andere Hälfte noch versessener, einen „Antisystemischen“ zu wählen.“
Der Hoffnungskandidat der Rechten heißt nunmehr George Simion (38). Dem EU-Skeptiker und Anführer der AUR-Partei ist es nach Georgescus Ausscheiden gelungen, sich erfolgreich als „Go-to-Kandidat für nationalistische Wähler“ zu etablieren, schreibt das Portal Politico. Umfragen zufolge könnte der Konservative am Sonntag jede dritte Stimme holen. Das würde ihn direkt in die Stichwahl am 18. Mai katapultieren.
Welchem der zehn anderen Kandidaten Simion in einem zweiten Wahlgang gegenüberstehen würde, ist völlig offen. Selbst erfahrene Politologen schrecken vor Detailprognosen zurück. Die größten Chancen auf das Präsidentenamt haben neben Simion der frühere Senatspräsident Crin Antonescu als Kandidat der proeuropäischen Regierungskoalition, der Bürgermeister der Hauptstadt Bukarest, Nicusor Dan, und Ex-Ministerpräsident Victor Ponta. Alle drei gelten als gemäßigt - auch wenn Rumäniens Antikorruptionsbehörde in der Vergangenheit schon gegen Ponta ermittelte.
Europa blickt gebannt
Europa blickt gebannt nach Rumänien, geht es doch um mehr als nur um die Nachfolge des im Februar zurückgetretenen Staatschefs Klaus Iohannis. Es geht um die demokratische Zukunft eines EU- und Nato-Landes, das seit Beginn des russischen Angriffskriegs zu einem der wichtigsten Unterstützer der benachbarten Ukraine wurde.
Sowohl die Ukraine als auch Moldau erklärten Rechtsaußen-Kandidat Simion zur Persona non grata, nachdem er dort Gebietsansprüche gestellt hatte. Seine Präsidentschaft könnte für Rumänien zum Desaster werden, warnt der Politologe Andrei Taranu in Bukarest: „Die EU würde Rumänien wahrscheinlich unter politische Quarantäne stellen, und die schwache Parlamentsmehrheit würde sich um den Ministerpräsidenten scharen, um die Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in Rumänien zu verteidigen.“
Laut Katja Plate, Landesdirektorin der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Bukarest, würde Simion sein Land nicht zwingend aus EU und Nato führen. Aber: „Die bisher extrem ruhig und konstruktiv geführte Außen-, Sicherheits- und Europapolitik Rumäniens würde damit in jedem Fall unwägbarer werden.“
Die politischen Turbulenzen riefen in den vergangenen Wochen auch die USA auf den Plan. Mitte April besuchte eine Delegation des US-Kongresses Bukarest. Die Gespräche mit Rumäniens Regierung drehten sich um Visa-Angelegenheiten, aber auch um die gemeinsame Nato-Verteidigung und die Wahlwiederholung. Zuvor hatten sowohl Trump-Berater Elon Musk als auch Vizepräsident J. D. Vance den Ausschluss Georgescus kritisiert.
Die beiden Rumänien-Expertinnen Plate und Stoenescu erkennen eine Politikverdrossenheit. „Die meisten sind sehr enttäuscht, und der Glaube an die Politik - wenn überhaupt einer vorhanden war - schwächelt zunehmend“, so Stoenescu. Politik-Professor Taranu glaubt dennoch an eine hohe Wahlbeteiligung. Auffallend: „Zehn Tage vor der ersten Wahlrunde hatten wir immer noch eine große Zahl von Menschen, die erklärten, zur Wahl zu gehen, sich aber noch nicht entschieden hatten, wen sie wählen - etwa 28 Prozent.“
KNA

Bangen um Rumäniens europäische Zukunft

Bulgarien und Rumänien vor Schengen-Beitritt
