Auf der Seite der Opfer
Mexiko Stadt/Nürnberg ‐ Seit über 35 Jahren kämpft das Centro Prodh für Menschenrechte in Mexiko, wo Raub, Entführungen und Morde trauriger Alltag sind. Diese Arbeit bringt jetzt Bewegung in die Aufklärung der „Ayotzinapa“-Tragödie: Das spurlose Verschwinden von 43 Studierenden.
Aktualisiert: 24.10.2024
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Seit der Jahrtausendwende hat sich die Militarisierung des öffentlichen Lebens in Mexiko drastisch verschärft. Armee-Angehörige übernehmen zunehmend Aufgaben, die über ihre verfassungsmäßigen Befugnisse hinausgehen. Zivilgesellschaftliche Organisationen beklagen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, darunter Morde und Entführungen.
Anwaltschaft und Bildungsarbeit
Die Zivilgesellschaft übernimmt eine Schlüsselrolle beim Schutz der Menschenrechte. So auch das „Centro de Derechos Humanos Miguel Augustin Pro Juárez A.C.“, kurz Centro Prodh. Es wurde 1988 von den Jesuiten gegründet und bietet Opfern von Menschenrechtsverletzungen kostenlose rechtliche Unterstützung. Zudem will die Organisation Gemeinschaften durch Bildungsprojekte stärken und informiert die Weltöffentlichkeit über die Menschenrechtslage in Mexiko.
Auf der Suche nach der Wahrheit
Laut Amnesty International gelten bis heute 115.571 Personen als verschwunden oder vermisst. Insbesondere der Fall „Ayotzinapa“ hält das Land seit zehn Jahren in Atem: Am 26. September 2014 verschwanden 43 Studierende einer Hochschule in Ayotzinapa. Sie hatten gegen die diskriminierende Einstellungs- und Bezahlpraxis der mexikanischen Regierung protestiert. Alle stammten aus armen oder indigenen Familien.
Zunächst wurde von offizieller Seite behauptet, sie seien von Kartellmitgliedern getötet und ihre Überreste auf einer Mülldeponie verbrannt worden. Doch diese Erklärungen stießen auf Zweifel, verstärkt durch eine unabhängige Untersuchungskommission, die dem Staat das Zurückhalten entscheidender Informationen vorwarf.
2023 kam wieder Bewegung in die Ermittlungen, als die sterblichen Überreste von drei Opfern identifiziert wurden. Im Juni 2024 traf sich Noch-Präsident Andrés M. Obrador mit Familien von Vermissten und übergab 15 militärische Dokumente, nachdem die Forderungen nach Transparenz immer lauter wurden.
Sprachrohr für die Angehörigen
Bei der Aufklärung des Ayotzinapa-Falls spielt das Centro Prodh eine aktive Rolle. Seit Jahren veröffentlichen die Aktivistinnen und Aktivisten regelmäßig Updates in Form von Gesprächen mit Angehörigen oder neuen rechtlichen Enthüllungen. Dabei machten die Familien der Opfer deutlich, dass die im Juni erhaltenen Dokumente bei Weitem nicht ausreichen, um den Fall aufzuklären. Sie fordern mit Nachdruck die Freigabe von 800 weiteren relevanten Dokumenten und forensische Untersuchungen durch unabhängige, internationale Fachleute.
Wann die Wahrheit ans Licht kommt, ist unklar, doch das Centro Prodh bleibt standhaft.
Die Koordinatorin für institutionelle Entwicklung des Centro Prodh, Yeny Santiago Alcaraz, betont: „Wir sind in den letzten Jahren auf viele Hindernisse gestoßen, um die Veränderungen voranzutreiben, die Mexiko in Bezug auf Gerechtigkeit und Sicherheit braucht. Dennoch sind wir überzeugt, dass wir dort sind, wo wir sein sollten: auf der Seite der Opfer. Ihre Widerstandsfähigkeit ist der Motor, der es uns ermöglicht, weiter voranzukommen und zum Aufbau eines gerechteren Landes beizutragen.“
Dieser Beitrag stammt aus der Herbst-Ausgabe 2024 der Zeitschrift jesuitenweltweit. Wir danken für die Genehmigung zur Übernahme!