Proteste und Streiks in Israel für ein Geiselabkommen
Jerusalem ‐ Nach der Bergung von sechs getöteten Geiseln am Sonntag ist Israel in Aufruhr. Landesweit kam es seit Sonntagnachmittag zu Demonstrationen, teilweise zu Zusammenstößen mit der Polizei. Am Montag gilt ein Generalstreik.
Aktualisiert: 02.09.2024
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In Israel hat nach landesweiten Demonstrationen für ein Abkommen zur Befreiung der Geiseln am Montagmorgen ein Generalstreik begonnen. Angehörige der Geiseln riefen zu Protesten an den wichtigsten Verkehrsknotenpunkten des Landes auf. Sie appellieren an die Öffentlichkeit, aktiv zu werden und sie zu unterstützen, „damit die Geiseln nicht länger im Stich gelassen werden“. Bereits am Montagmorgen kam es laut Medienberichten landesweit zu Straßenblockaden.
Der Staat beantragte unterdessen laut Bericht der Zeitung „Haaretz“ eine einstweilige Verfügung gegen den Streik. Eine Anhörung wird für den späten Vormittag erwartet. Auch der gegen den Streik gerichtete Antrag des „Heldenforums“, deren Mitglieder Angehörige von im Gazastreifen getöteten Soldaten sind, werde geprüft. Das Forum hatte erklärt, es handele sich eindeutig um einen politischen Streik, „der offenkundig illegal ist und in einer schikanösen Weise durchgeführt wird“.
Im Zuge des Streiks, dem sich neben dem Gewerkschaftsbund „Histadrut“ weitere Organisationen und Gruppen, darunter mehrere Stadtverwaltungen angeschlossen haben, wurde der Flughafen Ben-Gurion laut Medienberichten um 8.00 Uhr geschlossen. Banken, Kindergärten und Universitäten blieben geschlossen, Krankenhäuser und Schulen arbeiteten nur eingeschränkt und weite Teile des öffentlichen Nahverkehrs standen still.
Geisel-Deal gefordert
Laut dem „Forum der Geisel- und Vermisstenfamilien“ (Sonntagabend) nahmen landesweit eine halbe Million Menschen an den Protesten teil, darunter 300.000 an der zentralen Demonstration in Tel Aviv. Sie erneuerten ihre Forderungen nach einem sofortigen Abkommen zur Freilassung der 101 Geiseln, die vor 332 Tagen nach Gaza verschleppt wurden. Angehörige der Geiseln warfen der Regierung und Regierungschef Benjamin Netanjahu vor, einen Deal aus politischem Eigeninteresse zu verzögern und damit mit dem Leben der Geiseln zu spielen.
Bei einer Demonstration vor dem Büro Netanjahus in Jerusalem forderten wütende Teilnehmer den Rücktritt Netanjahus und Neuwahlen. Das Festhalten an einer israelischen Militärpräsenz an der Grenze Gaza-Ägypten (Philadelphi-Korridor) sei ein Todesurteil für die Geiseln.
Demonstranten hatten am Sonntag in mehreren Städten, darunter Tel Aviv und Jerusalem, Hauptverkehrsstraßen blockiert. In Tel Aviv setzte die Polizei laut Medienberichten berittene Beamte, Wasserwerfer und Blendgranaten gegen die Menge ein.
Bei nichtgenehmigten Protesten in Tel Aviv sind in der Nacht nach Angaben der israelischen Polizei 29 Personen festgenommen worden. Ihnen werden ordnungswidriges Verhalten, Angriffe auf Beamte und Vandalismus vorgeworfen. Unter anderem sei eine Polizistin verletzt worden. Die Polizei war nach eigenen Angaben mit einem Großaufgebot im Einsatz.
Am Sonntag hatten israelische Sicherheitskräfte die Bergung der Leichen von sechs Geiseln aus dem Süden des Gazastreifens bekanntgegeben. Untersuchungen hätten gezeigt, dass sie zwischen 48 und 72 Stunden vor Eintreffen der Armee mit gezielten Kopfschüssen ermordet worden seien. Am Donnerstagabend hatte das Kabinett eine bleibende israelische Präsenz im Philadelphi-Korridor beschlossen.