Mexiko bekommt erstmals eine Präsidentin
Mexiko-Stadt ‐ Die ehemalige Hauptstadt-Bürgermeisterin ist zum ersten weiblichen Staatsoberhaupt Mexikos gewählt worden. Der Vertrauensvorschuss ist riesig, die Herausforderungen auch.
Aktualisiert: 04.06.2024
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Ihre Anhänger mussten bis tief in die Nacht warten, ehe ein deutliches Ergebnis feststand: Nach rund 74 Prozent ausgezählter Stimmen entfielen rund 58,6 Prozent auf Claudia Sheinbaum (61). Die in Mexiko-Stadt geborene Akademikerin mit jüdischen und osteuropäischen Wurzeln wird damit die erste Präsidentin des G-20-Landes Mexiko.
Einen landesweit bekannten Namen machte sie sich in den vergangenen Jahren als Regierungschefin der riesigen Hauptstadtregion. Auch die wird weiterhin links regiert: Mit Clara Brugada (60) gewann in Mexiko-Stadt ebenfalls eine Kandidatin der Regierungspartei Morena.
Sheinbaum wird sich laut Hochrechnungen auf eine Mehrheit sowohl im Kongress als auch im Senat stützen können. Die Morena-Partei - vom amtierenden linkspopulistischen Präsidenten Andres Manuel Lopez Obrador gegründet - steigt damit zur dominierenden politischen Kraft im Land auf. Sie wird gemeinsam mit Bündnispartnern künftig in der Lage sein, tiefgreifende Reformen im Land durchzusetzen. Die Opposition ist für die nächsten Jahre weitgehend abgemeldet. Die Popularität von Morena speist sich vor allem aus Sozialprogrammen und der Durchsetzung höherer Mindestlöhne.
„Ich habe vor kurzem gesagt, dass der Abschluss der Amtszeit von Präsident Lopez Obrador spektakulär sein wird, weil wir am 2. Juni Geschichte schreiben werden. Und wir haben Geschichte geschrieben“, sagte Sheinbaum schließlich vor ihren Anhängern.
Sie profitierte nicht zuletzt von der Schwäche ihrer Gegenkandidaten, die im Wahlkampf blass blieben und keine überzeugende Strategie erkennen ließen. Konkurrentin Xochitl Galvez etwa hatte sich nach Schließung der Wahllokale zwar selbst zur Siegerin erklärt, gestand ihre Niederlage aber letztlich ein: „Ich habe Sheinbaum gesagt, dass ich ein Mexiko mit viel Schmerz und Gewalt sehe und dass ich mir wünsche, dass sie die schwerwiegenden Probleme unseres Volkes lösen kann“, sagte Galvez nach Bekanntgabe der Hochrechnungen.
Die Wahlsiegerin erbt von ihrem Vorgänger Lopez Obrador eine katastrophale Sicherheits- und Menschenrechtslage, die auch in Dutzenden ermordeten Kandidaten während des Wahlkampfes ihren Niederschlag fand. „Das Sicherheitsversprechen und das Sicherheitskonzept der Regierung sind gescheitert“, resümierte Mexiko-Expertin Katharina Louis vom Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat angesichts der steigenden Opferzahlen.
Wie Sheinbaum das in den Griff bekommen will, ließ sie bislang ebenso im Unklaren wie ihren Plan in Sachen Migrationspolitik. Von den USA erwartet sie mehr Investitionen in den Ausgangsländern der Migration. Zugleich stellt sie sich hinter die drei Linksdiktaturen Kuba, Venezuela und Nicaragua, aus denen Millionen Menschen in Richtung USA geflohen sind. Sollte in den Vereinigten Staaten Donald Trump die Präsidentschaftswahl im November gewinnen, dürfte sich das Verhältnis weiter eintrüben. Der Ex-Regierungschef schlägt - wie gewohnt - betont kritische Töne gegenüber dem südlichen Nachbarland an.
Von der neuen mexikanischen Regierung, die erst in ein paar Monaten ihr Amt antritt, erwartet der wegen seiner Menschenrechtsarbeit anerkannte Altbischof Raul Vera vor allem eine Befriedung des Landes. „Und um das zu erreichen, sind soziale Gerechtigkeit und Respekt vor den Menschenrechten aller notwendig. Wie bisher kann es nicht weitergehen“, sagte Vera laut Medienberichten nach seiner Stimmabgabe am Sonntag (Ortszeit).
Mit mehr als 170.000 registrierten vorsätzlichen Tötungen landesweit hat der scheidende Präsident Lopez Obrador einen Wert zu verantworten, der in keiner Amtszeit seiner Vorgänger erreicht wurde. Versprochen hatte er vor sechs Jahren eigentlich, das Gewaltproblem in den Griff zu bekommen. Nun muss sich seine Nachfolgerin darum kümmern.