Tschechische Kirchenkommission beklagt Armut im Sudetenland
Prag ‐ Das einst von Deutschen bewohnte Sudetenland hat Probleme. Armut, zu wenig Bildung und Strukturschwäche sind nur ein paar davon. Eine kirchliche Kommission will aufrütteln, aber auch Mut machen.
Aktualisiert: 28.05.2024
Lesedauer:
Der Prager Weihbischof Vaclav Maly hat auf oft übersehene Probleme in den tschechischen Grenzregionen verwiesen. Viele Landstriche, die vormals von Deutschen besiedelt waren, litten weiter unter Armut und entfernten sich vom aufstrebenden Rest der Tschechischen Republik, aber auch von den ärmeren Regionen Europas, heißt es in einem Dokument der bischöflichen Kommission für Gerechtigkeit und Frieden („Iustitia et Pax“), die von Maly geleitet wird. Trotz Fördermitteln gebe es nach jüngsten Eurostat-Erhebungen in der EU nur drei Regionen, deren Wirtschaft sich langsamer entwickelt als jene im Norden Tschechiens, zitiert die Presseagentur Kathpress aus dem Papier.
Die schlechteren Lebensbedingungen zeigen sich konkret in einem hohen Maß an Arbeitslosigkeit, Armut, schlechtem Zugang zu Gesundheitsfürsorge, in Defiziten im Schulwesen, im öffentlichen Verkehr und überhaupt in den staatlichen Einrichtungen, so Maly. Die „Schuld an der unerfreulichen Lage in den ehemaligen Sudeten“ könne aber nicht einfach der komplizierten Geschichte im 20. Jahrhundert angelastet werden; es liege nach soziologischen Befunden auch an der „generellen Ausrichtung des tschechischen Bildungs- und Sozialsystems, das die Unterschiede zwischen Menschen und Regionen verstärkt“.
Die Grenzgebiete seien ein „Spiegel des nicht funktionierenden Staates und Opfer des nicht solidarischen und populistischen Verhaltens einiger politischer und unternehmerischer Gruppierungen“, stellt die kirchliche Kommission fest. Die Kinder von Eltern mit Grundausbildung oder Lehrbrief schwankten „beständig zwischen nicht abgeschlossener Grundschule und Lehrling“; und jene, denen es gelingt auszubrechen, ziehe es in die „entwickelteren Regionen, in denen sie dann auch bleiben“.
Umgekehrt zögen in die Grenzgebiete schlechter ausgebildete und auf Sozialabgaben angewiesene Menschen, deren „Verschuldung das Familienleben belastet, zum Zerfall von Familien führt und eine hohe Scheidungsrate nach sich zieht“. Der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften und funktionierender Infrastruktur halte wiederum Firmen von der Ansiedlung in den Grenzgebieten ab.
Als eine Lösung der drängenden Fragen verweist das Papier unter anderem auf grenzüberschreitende Zusammenarbeit, die in den sogenannten Euroregionen gefördert wird. Durch sie würden „gemeinsames Regionalbewusstsein gefördert, inneres Potenzial der lokalen Bevölkerung mobilisiert, attraktive Chancen in peripheren Regionen aufgespürt und nicht zuletzt die Fähigkeit zu gemeinsamer Planung mit mittelfristigem Horizont unterstützt“.
Ein wichtiger Schritt sei dabei Bildung im Vorschulalter, durch die die „unselige Korrelation zwischen dem niedrigen Bildungsgrad der Eltern und ihrer Kinder“ beseitigt werden könne. Es gebe in den Grenzgebieten „schon eine große Zahl an künstlerischen Grundschulen, Programmen der außerschulischen Weiterbildung, karitativen, Pfarr- oder Gemeindezentren und Vereinigungen“. Die dort Engagierten müssten aber oft „eine Menge innerer Energie aufwenden, um ihre Arbeit angesichts des geringen Interesses und der Gleichgültigkeit der Mehrheitsbevölkerung fortzusetzen“.
Es liege im Interesse aller, so Bischof Maly, wenn „die lokal aktiven und sich aufopfernden Menschen nicht ausbrennen, sondern vielmehr maximale Unterstützung erhalten“. Die Gegenwart von Menschen, die sich für andere einsetzen, inspiriere nicht nur andere Nachfolger, sondern stärke auch „das Vertrauen unter den Menschen vor Ort und letztlich der ganzen Gesellschaft“.
KNA