Südafrika gedenkt des Freiheitskämpfers Walter Sisulu
Er saß fast so lange im Gefängnis wie Nelson Mandela und war ein führender Kämpfer gegen die Apartheid. Doch Mandelas Bekanntheit erreichte Walter Sisulu nicht. Nun jährt sich sein Todestag zum 20. Mal.
Aktualisiert: 03.05.2023
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Tschad, Gabun, die Demokratische Republik Kongo, vielleicht bald auch Uganda: In einigen Ländern Afrikas ist es traurige Tradition, dass Despoten ihre Söhne als Nachfolger einsetzen. Doch auch das Gegenteil gibt es, wie eine Familie in Südafrika belegt: Bei den Sisulus ist Demokratie bis heute Familiensache. Heute (5. Mai) jährt sich der Todestag von Freiheitskämpfer Walter Sisulu zum 20. Mal.
Mandela – der Name steht nicht nur in Südafrika auf Straßenschildern, Weinflaschen und Buchdeckeln. Auch im Rest der Welt kennt man den Freiheitshelden, der für seine Überzeugung 27 Jahre im Gefängnis saß. In seinem Schatten steht Sisulu. Dabei war er es, den Mandela einst als seinen „starken, vernünftigen, erfahrenen und hingebungsvollen“ Mentor bezeichnete. Sisulu wurde 1912 geboren, im selben Jahr wie der Afrikanische Nationalkongress (ANC).
Die Befreiungsbewegung sollte sein späteres Leben bestimmen und ihn zu einem der führenden Kämpfer gegen die Apartheid aufsteigen lassen. Doch dazu musste er erst dem „Homeland“ Transkei entfliehen, wohin das weiße Minderheitsregime die Schwarzen verbannt hatte. Mit 15 Jahren verließ Sisulu die anglikanische Missionsschule und ging nach Johannesburg. In der Stadt der Weißen schlug er sich als Milchmann und Bergarbeiter durch - und geriet erstmals in Konflikt mit dem Gesetz, als er die miserablen Arbeitsbedingungen anprangerte. Er schwor, „unter dem System zu leiden, bis ich es besiegt habe“.
26 Jahre auf der Gefängnisinsel
1940 trat er dem ANC bei. Später mobilisierte er als dessen Generalsekretär mit seiner Streitschrift „Südafrika hinter Gittern“ die Delegierten bei den jungen Vereinten Nationen in New York gegen das Apartheid-Regime. Allzu oft werde sie Walter nicht zu Gesicht bekommen, warnte ein Familienfreund die Ehefrau Albertina nach der Hochzeit 1944: Er sei ja schon mit dem Freiheitskampf verheiratet. Bald wurde auch aus ihr eine führende Aktivistin und errang sie den Spitznamen „Mutter der Nation“.
„Walter Sisulu war kein besonders charismatischer oder freimütiger Redner“, berichtet der südafrikanische Historiker Paul Landau. „Doch er verstand es, Möglichkeiten abzuwägen und hinter den Kulissen die Leute für ein gemeinsames Ziel zu versammeln.“ Dank dieser Eigenschaft gelang es Sisulu, den bewaffneten Kampf gegen das Apartheid-Regime auch nach Mandelas Festnahme 1962 fortzuführen. Kurze Zeit später wurde freilich auch er verhaftet. Sisulu, Mandela und andere Freiheitskämpfer wurden zu lebenslanger Haft auf der Gefängnisinsel Robben Island verurteilt.
26 Jahre vergingen bis zu seiner Entlassung. Inzwischen übernahm sie das Zepter: Lindiwe Sisulu, Tochter von Walter und Albertina. Auch sie wurde vorübergehend verhaftet. Mit Elektroschocks versuchten die Folterknechte, an Informationen über ihre noch freie Mutter zu gelangen. Lindiwe floh ins Exil.
Nachdem Südafrika im April 1994 seine ersten freien Wahlen abgehalten hatte, zog Lindiwe Sisulu als Abgeordnete ins Parlament in Kapstadt ein - und sie blieb es für die nächsten 29 Jahre. Sie wurde Ministerin für Wohnungsbau, Verteidigung, Auswärtige Angelegenheiten und andere Portfolios. Ihr Bruder Max war inzwischen zum Parlamentspräsidenten (2009-2014) aufgestiegen.
Doch Anfang März kam nun das jähe Ende ihrer Vorzeigekarriere: Präsident Cyril Ramaphosa entließ Lindiwe Sisulu nach fast drei Jahrzehnten aus dem Regierungskabinett. Auf ihr lasten Vorwürfe, sie habe zuletzt als Tourismusministerin einen Deal vorangetrieben, durch den Südafrika den englischen Fußballverein Tottenham Hotspurs mit fast 50 Millionen Euro finanziert habe. Mehr als die Hälfte der Südafrikaner leben von weniger als 71 Euro pro Monat.
Sisulu selbst ließ zu ihrem Rauswurf mitteilen, Sie habe in Südafrikas undemokratischen Jahren bereits eine „wahre Hölle“ durchlebt. Auch Historiker Landau will kein schlechtes Wort über Lindiwe Sisulu verlieren. „Allerdings“, so sagt er, „beobachte ich Verfall und Korruption im ANC. Sie machen mich genauso betroffen wie andere.“
Vetternwirtschaft und ein Unvermögen, Kriminalität, Energiekrise und Arbeitslosigkeit in den Griff zu kriegen, haben die einstige Befreiungsbewegung geschwächt. Bei den Wahlen 2024 könnte der ANC erstmals die Mehrheit verlieren. Mandela und Walter Sisulu hatten einen anderen Plan.
KNA