Vatikan nimmt Abstand von kolonialistischer „Entdeckungs-Doktrin“
Vatikanstadt/Bonn ‐ Als im 15. und 16. Jahrhundert europäische Großmächte versuchten, die Welt untereinander aufzuteilen, stützten sie sich dabei auch auf päpstliche Schreiben. Die dort enthaltene „Entdeckungs-Doktrin“ sei aber nie offizielle Glaubenslehre gewesen, stellen mehrere Vatikanbehörden nun klar.
Aktualisiert: 31.03.2023
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Die katholische Kirche rückt von der historischen Idee einer „Entdeckung“ von Erdteilen wie beispielsweise dem amerikanischen Doppelkontinent durch die Europäer ab. In einer gemeinsamen Erklärung der Vatikanbehörde für Erziehung und Kultur und der vatikanischen Entwicklungsbehörde heißt es: „Die ‚Entdeckungs-Doktrin‘ ist nicht Teil der Lehre der katholischen Kirche.“ Die entsprechenden Papstschreiben aus dem 15. und 16. Jahrhundert seien „nie als Ausdruck des katholischen Glaubens“ angesehen worden. Genannt werden beispielsweise die Dokumente Dum Diversas (1452), Romanus Pontifex (1455) and Inter Caetera (1493).
Die katholische Kirche erkenne an, dass diese sogenannten Bullen von damals nicht angemessen die Rechte und die Würde der indigenen Völker wiedergegeben hätten, heißt es nun. Das Lehramt der Kirche halte unmissverständlich den Respekt hoch, der jedem Menschen gebühre, so die Erklärung Die katholische Kirche lehne daher Konzepte ab, die die inhärenten Menschenrechte indigener Völker nicht anerkennen, einschließlich der sogenannten rechtlichen und politischen „Entdeckungslehre“. Zugleich betont die Erklärung, dass mehrere Päpste, Bischöfe und Ordensleute schon damals für die Rechte der indigenen Bevölkerung eingetreten seien. Dies sei auch heute die Position der Kirche.
Die gemeinsame Erklärung, in der es nicht nur um die Situation auf dem amerikanischen Doppelkontinent, sondern auch in anderen kolonialen Kontexten geht, wurde am Donnerstag vom vatikanischen Presseamt veröffentlicht. Die katholischen Bischofskonferenzen Kanadas und der USA begrüßten die Erklärung in schriftlichen Stellungnahmen und kündigten weitere wissenschaftliche Studien zu dem Thema an.
Beim Papstbesuch in Kanada im Juli 2022 hatten Indigene vom Papst eine Abkehr von der „Entdeckungs-Doktrin“ gefordert. Diese habe zur Enteignung und Unterdrückung der amerikanischen Ureinwohner durch die Kolonialmächte beigetragen.
Die sogenannte Doktrin, die nach Ansicht des Vatikan nie ausdrücklich als kirchliche Lehre formuliert, aber weithin als gültig angenommen wurde, ging von der Idee aus, dass Amerika im 15. Jahrhundert von den Europäern entdeckt worden sei. Daher wurde auch die Aufteilung der „Neuen Welt“ unter den Kolonialmächten England, Frankreich, Spanien und Portugal als rechtmäßig angesehen und mit päpstlichen Schreiben beglaubigt. Eine Folge war eine kulturelle Unterdrückung der indigenen Völker, die bis weit ins 20. Jahrhundert andauerte.
Erklärung im Original lesen
Joint Statement of the Dicasteries for Culture and Education and for Promoting Integral Human Development on the “Doctrine of Discovery”, 30.03.2023
weltkirche.de/KNA