Militärbischof und Pax Christi-Präsident: Kampfpanzer vertretbar
Mainz/Essen ‐ Der katholische Militärbischof Franz-Josef Overbeck (Essen) und Pax Christi-Präsident Bischof Peter Kohlgraf (Mainz) äußerten sich angesichts der Genehmigung von Panzerlieferungen an die Ukraine durch die deutsche Bundesregierung.
Aktualisiert: 15.02.2023
Lesedauer:
Der katholische Militärbischof Franz-Josef Overbeck kann die Entscheidung der Bundesregierung nachvollziehen, Leopard-Kampfpanzer an die Ukraine zu liefern. „Der Krieg scheint in einem Stadium angekommen zu sein, in dem solche schweren Waffen von der Ukraine eingesetzt werden müssen“, sagte Overbeck am Mittwoch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Die Entscheidung hätten allerdings politische Verantwortungsträger auf der Grundlage entsprechender Informationen zu treffen. „Als Seelsorger möchte ich bei solchen Lieferungen nicht einfach von einem Gutheißen sprechen, denn auch diese Waffen sorgen für entsetzliches Leid“, betonte Overbeck (58), der seit 2011 Militärbischof der Bundeswehr ist.
Ähnlich äußerte sich der Pax Christi-Präsident und Mainzer Bischof Peter Kohlgraf. Die Kampfpanzer-Lieferung sei zwar vertretbar. „Aber wir werden immer Schuld auf uns laden. Natürlich töten Waffen. Pax Christi wird nie das Töten an sich als etwas Gutes ansehen“, sagte Kohlgraf ebenfalls der KNA. Dennoch sei Deutschland nicht in der Situation, „mit erhobenem Zeigefinger Menschen zu belehren, die um Leib und Leben fürchten“. Das müsse auch für die Friedensbewegung gelten.
Kohlgraf (55) ist seit Oktober 2019 Präsident der deutschen Sektion von Pax Christi International. Die Frage zu Waffenlieferungen werde bei Pax Christi intensiv diskutiert. „Auch hier gibt es Stimmen, die sagen: Die Ukraine hat grundsätzlich das Recht zur Selbstverteidigung, auch zur militärischen Selbstverteidigung“, so Kohlgraf.
Auch der Essener Bischof Overbeck betonte: „Der Zweck dieser Lieferungen ist, dass die Ukraine ihr Recht auf Selbstbestimmung wahrnehmen und angesichts der russischen Aggression für ihre Freiheit kämpfen kann.“ Er fügte hinzu: „Wir dürfen dabei aber das Ziel, nämlich einen gerechten Frieden, niemals aus dem Blick verlieren.“ Der Militärbischof betonte, Gewalt dürfe nur als letztes Mittel eingesetzt werden, um Freiheit und Selbstbestimmung zu erhalten. „Denn wer immer Gewalt anwendet, der muss wissen, dass er Schuld auf sich lädt.“
Auf die Frage, ob er eine Eskalation des Krieges befürchte, sagte Overbeck: „Das Kriegsgeschehen ist schon an so vielen Stellen eskaliert, dass man wahrscheinlich nur noch die Stufe der Eskalation beschreiben kann, aber nicht die Eskalation an sich – die schon längst da ist.“ Die Tragödie sei von Russland gestartet worden.
Auf die Frage, ob dieser Krieg vom Westen auch mit Waffengewalt gewonnen werden müsse, sagte Overbeck: „Würde der Westen seine Unterstützung verweigern, wäre wohl Tür und Tor geöffnet für jede Form von willkürlicher Aggression, der keine Grenzen mehr gesetzt werden.“
Kohlgraf sagte, es gebe für ihn keine zufriedenstellende Antwort auf die Frage, wie der Krieg beendet werden solle. „Es ist aber zu viel von Sieg und Niederlage die Rede, zu viel von Panzern und von Zerstörung“, betonte der Pax-Christi-Präsident. Er sei nicht naiv und sehe die Lage in der Ukraine. „Aber wie soll ein solcher Krieg gelöst werden, ohne in einer totalen Katastrophe zu enden?“, fragte Kohlgraf. „Ist eine Totalzerstörung und am Ende vielleicht eine ‚atomare Lösung' wirklich das, was wir wollen?“ Man könne bezweifeln, ob sich Russland geschlagen geben werde. „Dieser Angreifer hält sich an keine Menschenrechte und an kein Kriegsrecht und eskaliert die Gewalt völlig.“
Zur möglichen Gefahr einer Ausweitung des Konflikts bis hin zu einem Weltkrieg sagte Overbeck: „Wenn wir von einer Eskalation im Weltmaßstab ausgehen, dann würde das anders ablaufen als bei den schrecklichen beiden Weltkriegen im 20. Jahrhundert: Wir leben in einer digitalen Welt. Diese Auseinandersetzung würde zu großen Teilen auch als Cyberkrieg geführt werden.“ Zur Frage nach einem Atomkrieg sagte er: „Das verhüte Gott!“
KNA