Das gemeinsame Haus bewahren
Schöpfung ‐ Unsere Mutter Erde braucht dringend unsere Achtsamkeit und dankbare Fürsorge, meint Pater Franz Helm. Zum Weltgebetstag für die Bewahrung der Schöpfung würdigt der Steyler-Missionar die Beiträge des Papstes zu einer ökologischen Umkehr.
Aktualisiert: 21.07.2022
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Von der Erde sind wir genommen, und zur Erde kehren wir zurück.“ - Dieser Satz aus der Begräbnisliturgie will uns nicht nur die Endlichkeit unserer Existenz vor Augen stellen. Er will uns auch bewusst machen, dass wir Teil der Erde sind, unweigerlich mit unserem Planeten und seinem Schicksal verbunden. Die Erde, die uns trägt, ernährt uns auch. Nicht von ungefähr nennen die indigenen Völker der südamerikanischen Anden sie Pachamama - Mutter Erde. Und in den Basisgemeinden im brasilianischen Bahia wird gesungen: „Die Erde ist unsre Mutter, sie nährt uns mit Überfluss. Gibt Erdäpfel, Mais und Bohnen, gibt uns Früchte zum Genuss!“
Indigene Völker und Kleinbauern haben sich eine besondere Beziehung zur Erde bewahrt. Sie ist mehr als ein Nahrungsmittellieferant, der beliebig ausgebeutet und industriell für die Massenproduktion verwertet werden kann. Das Gespür für die Lebenskreisläufe in der Natur und für ihre Verletzlichkeit ist noch nicht verloren gegangen. Mit Ehrfurcht und Respekt wird die Erde behandelt, wie eine Mutter.
Was „Mutter Erde“ von uns braucht
Auch für Papst Franziskus ist die Erde wie eine Mutter. Er beginnt seine aufsehenerregende Umwelt-Enzyklika, die im Juni 2015 veröffentlicht wurde, mit den folgenden Worten:
“LAUDATO SI’, mi’ Signore – Gelobt seist du, mein Herr”, sang der heilige Franziskus von Assisi. In diesem schönen Lobgesang erinnerte er uns daran, dass unser gemeinsames Haus wie eine Schwester ist, mit der wir das Leben teilen, und wie eine schöne Mutter, die uns in ihre Arme schließt.
In die Arme geschlossen werden, geborgen und angenommen sein – diese Ursehnsucht lebt in uns. Da Gott selbst die Liebe ist, umhüllt und umschließt er uns auch mit der Welt, die er aus Liebe geschaffen hat: Mit Sonnenstrahlen, Luft und Düften, mit köstlichem Wasser und fruchtbarer Erde. Spüren wir diese Umarmung? Nehmen wir uns Zeit, sie zu meditieren und auszukosten? Gerade unsere Zeit, die oft so voller Hetze und Lärm ist, braucht das Innehalten, die Stille. Und unsere „Mutter Erde“ braucht dringend unsere Achtsamkeit und dankbare Fürsorge. Denn sie leidet Gewalt.
Prophetisch weist Papst Franziskus in „Laudato si‘“ darauf hin: Will die Menschheit Zukunft haben, muss sie den Schrei der Erde und den Schrei der Armen hören. Aus Sorge um die Zukunft des Planeten Erde und um das Leben der Armen und der zukünftigen Generationen entwirft der Papst die Vision einer ganzheitlichen Ökologie, die davon ausgeht, dass letztlich alles miteinander verbunden ist. Die Krise des Planeten könnte eine Sternstunde sein, wenn sie den Menschen dazu verhilft, ihren Platz als integralen Teil der Schöpfung wieder zu entdecken und dementsprechend achtsam und nachhaltig zu leben. „Genügsamkeit“ und „Demut“ schlägt Franziskus als neue Tugenden und Grundhaltungen vor. Wir müssen wiederentdecken, was wir wirklich für das Leben brauchen, und wir müssen uns neu in den Dienst des Lebens stellen. Daraus erwächst der Friede, denn „ der innere Friede der Menschen hat viel zu tun mit der Pflege der Ökologie und mit dem Gemeinwohl“, zeigt sich der Papst überzeugt. „Wenn er authentisch gelebt wird, spiegelt er sich in einem ausgeglichenen Lebensstil wider, verbunden mit der Fähigkeit zum Staunen, die zur Vertiefung des Lebens führt. Die Natur ist voll von Worten der Liebe“, so Franziskus in der Nr. 224 seiner Enzyklika.
„Unsere „Mutter Erde“ braucht dringend unsere Achtsamkeit und dankbare Fürsorge. Denn sie leidet Gewalt.“
Eine „ökologische Umkehr“ steht an
Ein spiritueller Weg zur Erneuerung des persönlichen und gemeinschaftlichen Lebens hat nicht nur mit innerer Tiefe und unserem persönlichen Lebensstil zu tun. Er muss auch Auswirkungen auf Politik und Wirtschaft haben. Die „Sorge für das gemeinsame Haus“ – so der Untertitel der Enzyklika – muss auch zum Begleichen der „ökologischen Schuld“ (Nr. 52) führen, die die reichen Industrienationen gegenüber jenen ärmsten Ländern der Erde haben, die kaum etwas zum Klimawandel beigetragen haben. Nicht die Überbevölkerung ist das Problem der Welt, sondern die Maßlosigkeit der Reichen. Es braucht eine wahrhafte „ökologische Umkehr“ (Nr. 216–221) nicht nur der Einzelnen, sondern ganzer Gesellschaften, überall auf der Welt.
Vielleicht ist das einer der wesentlichsten Beiträge, den die Kirchen in Zeiten des Klimawandels leisten können. Sie sind über Jahrtausende Expertinnen für die Umkehr gewesen. Immer wieder hat die Botschaft des Evangeliums Menschen so berührt, dass sie bereit und fähig wurden, ihr Leben von Grund auf zu verändern. „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um – und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,15) Diese Botschaft gilt es angesichts von Erderwärmung und Umweltzerstörung neu auszurichten. Mit der Ansage der Umkehr ist die Frohe Botschaft verbunden, dass Gott seine Schöpfung nicht im Stich lässt und dass ein Neuanfang möglich ist.
Eine besondere Möglichkeit, zur so dringenden „ökologischen Umkehr“ beizutragen, sind die von der Dritten Europäischen Ökumenischen Versammlung im Jahr 2007 angeregte jährliche „Schöpfungszeit“ zwischen 1. September und 4. Oktober bzw. der alljährliche „Tag der Schöpfung“. Diesen Gedenktag, der in manchen Ortskirchen an unterschiedlichen Tagen im September begangen wurde, hat Papst Franziskus in einem Schreiben vom 10. August 2015 für den 1. September festgelegt. Es braucht solche speziell dem Umweltthema gewidmete liturgische Zeiten, um bewusstseinsbildend zu wirken, eine ökologische Spiritualität der Achtsamkeit, der Genügsamkeit und der Demut zu entwickeln und Möglichkeiten des Engagements für die Bewahrung der Schöpfung aufzuzeigen.
Dialog und Miteinander
Die Bewahrung des „gemeinsamen Hauses Erde“ kann nur durch einen intensiven Dialog und ein Zusammenwirken aller Menschen guten Willens gelingen. Das hat Papst Franziskus erkannt. Daher hat er in „Laudato si‘“ nicht nur das beispielhafte Engagement der orthodoxen Kirche und ihr „Lehramt“ in diesem Bereich gewürdigt, sondern auch in der Folge jenes Datum zum „Schöpfungstag“ erklärt, das in der Orthodoxen Kirche schon Tradition hatte, nämlich den 1. September. Das Bemühen von Papst Franziskus um einen breiten Dialog mit der Wissenschaft, den Hilfswerken und NGOs, mit den Bischofskonferenzen aus aller Welt und anderen christlichen Kirchen ist auch darin zu sehen, dass er in seiner Enzyklika aus allen diesen Bereichen schöpft und zitiert. Sogar der muslimische Sufi Ali Al-Khawwas kommt in diesem päpstlichen Lehrschreiben zu Wort. Weil unser „gemeinsames Haus Erde“ bedroht ist, müssen wir eine solche Haltung des Dialogs und des Miteinanders entwickeln und möglichst alle Mitmenschen mit einbeziehen beim Beten und Handeln für die Zukunft unseres Planeten.
Von Pater Franz Helm SVD
Mit freundlichem Dank für die Genehmigung an die Steyler Missionare.
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