
Als Friedenshelfer im Kongo
Medien ‐ Eine neue Online-Publikation des Entwicklungsexperten Reinhard J. Voß gibt einen umfangreichen Überblick über die Geschichte und das Wirken der katholischen Kirche in der Demokratischen Republik Kongo. Als Berater für zivile Konfliktbearbeitung begleitete Voß das Land auf dem steinigen Weg zu einer stabilen Demokratie, der lange noch nicht abgeschlossen ist.
Aktualisiert: 30.03.2016
Lesedauer:
Eine neue Online-Publikation des Friedens- und Entwicklungsexperten Dr. Reinhard J. Voß unter dem Titel „Die katholische Kirche im Kontext der Konfessionen und Religionen in der DR Kongo“ gibt einen umfangreichen Überblick über die Geschichte und das Wirken der katholischen Kirche in dem zentralafrikanischen Staat. Von 2010 bis 2014 leistete Voß dort im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe (AGEH) einen „Zivilen Friedensdienst“ und war als Berater der Katholischen Bischofskonferenz in deren Kommission „Justice et Paix“ (Gerechtigkeit und Frieden) tätig.
„2011 wurden 50 Jahre Unabhängigkeit in Kongo-Kinshasa gefeiert. 2011 war auch die Zeit der freien, aber teils manipulierten, teils gestörten Wahlen von Parlament und Präsident“, erinnert sich Voß an seine Zeit in der DR Kongo.
Neben den Arbeitsansätzen der Justitia-et-Pax-Kommission und der Geschichte der katholischen Kirche Kongos beschreibt der ehemalige Generalsekretär von Pax Christi Deutschland in seinem Buch zunächst die Entwicklung und Strukturen der orthodoxen und der verschiedenen protestantischen Konfessionen im Land: von den Lutheranern über die einheimische Kirche der christlich-pazifistischen Kimbanguisten (nach Simon Kimbangu) bis hin zu den vielfältigen und teils zweifelhaften Frei- und Pfingstkirchen, den dortigen Naturreligionen und dem Islam. Ein eigenständiges Judentum fehle im Land, so Voß.

Ebenso geht der Autor auf „die katholische Kirche angesichts der Globalisierung zwischen Traditionalismus und großen Umbrüchen“ ein. In seiner „Spurensuche“ berichtet er von der Lage des Landes vor und nach den Wahlen 2011 und gibt einen Überblick über die sozialpolitischen Stellungnahmen der katholischen Kirche seit der Unabhängigkeit der DR Kongo. Seine Ausführungen kombiniert Voß mit Umfrage-Ergebnissen bei Pfarrern in verschiedenen Diözesen Kongos von 2014. Am Beispiel des offiziellen zairischen Ritus der Heiligen Messe beschreibt Voß schlussendlich ein „wachsendes afrikanisches Selbst-Bewusstsein“.
Katholische Kirche im Kongo: konservativ oder progressiv?
Zudem stellt der Friedens- und Entwicklungsexperte in seinem Buch die Frage, ob die katholische Kirche in der DR Kongo „konservativ oder progressiv“ ist. Er stellt zunächst widersprüchliche Befunde und Eindrücke beider Richtungen dar, schildert „Spannungs-Erfahrungen“ und den Umgang damit an den Beispielen Zölibat, Klerus-Armut und Kirchenfinanzen. Exemplarisch geht Voß auf einzelne konkrete Streitfelder mit dem Staat ein, darunter z. B. die Jahreserinnerung an die christlichen Märtyrer bei der Demonstration der Christen gegen Mobutu (1992–2012), den Konflikt zwischen Bischofskonferenz und einem Priester (Malu Malu) wegen dessen Ernennung zum Leiter der neuen Wahlkommission 2014; und schließlich zwei aktuelle Konfrontationen von Staat und Kirche in 2014/15.
Angesichts von „nur“ hundert Jahren Kirchengeschichte – sieht man ab von den fast vergeblichen Missionierungen der Portugiesen vor und nach 1500 – stellt er ein „überraschend junges Kirche-sein in Afrika“ fest, von dem die „alten“ Kirchen im Globalen Norden etwas lernen können – „allerdings mehr auf sozialpolitischem als auf theologisch-doktrinärem Gebiet“, so Voß.
Am Beispiel dieses sich abzeichnenden Modernisierungskonfliktes zeigt Voß eine uns in Europa oder Nordamerika eher fremd vorkommende Kompromissbereitschaft. Sie hänge zusammen mit der Betonung und Feier der gemeinsamen Glaubensbasis, die einher ginge mit großer Achtung der Hierarchie. Die kongolesische Kirche sei unter den gegebenen autoritären, halb-diktatorialen politischen Bedingungen in sozialpolitischer Hinsicht eher revolutionär, in Lehre und „Doktrin“ jedoch eher das Gegenteil. Aber auch hier gebe es vielfältige Schattierungen.

Kirche genießt große Glaubwürdigkeit im Volk
Zum Schluss zieht Voß das Fazit, es lohne sich, den weiteren Aufbruch des Landes und die Rolle der Kirche in diesem Prozess zu begleiten. Die katholische Kirche ist seiner Einschätzung nach „die stärkste Oppositionskraft im Lande“ und zählt sich nur bedingt zur Zivilgesellschaft, die sie aber gleichwohl als Bündnispartnerin ansieht. „Das hat ihr eine gewisse Skepsis bei manchen Organisationen, aber eine große Glaubwürdigkeit im Volke verschafft“, so der ökumenische Erwachsenenbildner. Es brauche „noch einen langen Atem bis zu einer stabilen afrikanischen Demokratie in diesem Lande (…), die nur auf der Basis eines funktionierenden und die Gewaltenteilung achtenden Rechtsstaates eine Chance hat“. Voß prangert darüber hinaus den illegalen Rohstoffhandel im Osten des Landes an, der durch den Bürgerkrieg befeuert würde. Zugleich hegt er die Hoffnung, dass der Handel mit Rohstoffen durch Zertifizierungen zunehmend legalisiert wird.
Das alles sei auch die Voraussetzung für größere Investitionen des Westens, denn „der Lebensmittel-Sektor ist in libanesischen, israelischen und chinesischen Händen. Die frühere Kolonialmacht Belgien ist eher unsichtbar präsent: im Diamantenhandel besonders, aber auch beim Import von Waren des täglichen Bedarfs und durch die in die Hunderttausende gehende belgische – durchaus doppelstaatlich organisierte – Kongogemeinde.“
40 Seiten inhaltlich strukturierte Tagebuchauszüge des Friedens- und Entwicklungsexperten sowie 50 Seiten Bischofs-Stellungnahmen zwischen 2010 und 2014, die von Voß ins Deutsche übersetzt wurden, runden das Fachbuch ab. (rv/lek)
© weltkirche.katholisch.de
Zum Autor

Reinhard Voß ist Historiker, Romanist und Erwachsenenbildner. Nach seinem Berufsstart in der katholischen Akademie Klausenhof am Niederrhein arbeitete er haupt- und ehrenamtlich für ökumenische Basisbewegungen und veröffentlichte zahleiche Bücher, Broschüren und Artikel zu politischen, sozialen und ökumenischen Themen. Von 2001 bis 2008 war er Generalsekretär von Pax Christi Deutschland und arbeitete von 2010 bis 2014 in der DR Kongo. Heute ist er Vorstandsvorsitzender des Friedens- und Entwicklungsdienstes „Eirene“ und der ökumenischen Zukunftswerkstatt in Wethen-Germete bei Warburg/Ostwestfalen.