Keine Armut mehr bis 2030: Wo kommt das Geld her?

Keine Armut mehr bis 2030: Wo kommt das Geld her?

Entwicklung ‐ Bis zum Jahr 2030 sollen Hunger und Armut vollständig von der Welt verschwinden. So sagt es die Nachhaltigkeitsagenda der Vereinten Nationen. Vier Billionen US-Dollar sind dafür notwendig. Bisher ist nur ein Drittel der Kosten finanziert. Woher kommt das Geld und welche Rolle spielt die Kirche dabei? Ein Überblick.

Erstellt: 21.07.2016
Aktualisiert: 21.07.2016
Lesedauer: 

Bis zum Jahr 2030 sollen Hunger und Armut vollständig von der Welt verschwinden. So will und sagt es die Nachhaltigkeitsagenda der Vereinten Nationen. Insgesamt umfasst diese Agenda siebzehn Entwicklungsziele, die vom Kampf gegen die Armut über die Sicherung der Ökosysteme bis hin zur Verwirklichung von Chancengerechtigkeit reichen.

Papst Franziskus hatte die Entwicklung der „Sustainable Development Goals“ ausdrücklich unterstützt und eine zügige Umsetzung angemahnt. Die Ziele sind ambitioniert und nur zu erreichen, wenn die dafür notwendigen Gelder zur Verfügung gestellt werden. Vier Billionen US-Dollar müssen die Regierungen bis 2030 in die Hand nehmen, um die UN-Entwicklungsziele zu erreichen. Das sagt UNCTAD, die Welthandels- und Entwicklungskonferenz. Nach derzeitigem Stand sind bislang aber nur ein Drittel der notwendigen Ausgaben finanziert. Und von diesem stellt nur etwa ein Zehntel öffentliche Entwicklungshilfe dar. „Fresh money“ ist das Stichwort. Ohne weitere Finanzierungsquellen werden sich die ehrgeizigen Entwicklungsziele nicht erreichen lassen – und schon gar nicht bis zum Jahr 2030.

Mehr Geld für ehrgeizige Ziele – aber woher?

Private Geldgeber, vor allem Unternehmen, aber auch Privatleute, würden immer wichtiger, so Florence Dafe, die im Deutschen Institut für Entwicklungspolitik zu Fragen der Entwicklungsfinanzierung forscht. Die staatliche Entwicklungszusammenarbeit bleibe weiterhin wichtig. „Es ist aber auch so, dass es für viele Schwellenländer immer wichtiger wird, dass auch private Akteure miteinbezogen werden. Hier können dann innovative Finanzierungsinstrumente die Möglichkeit bieten, private und staatliche Akteure zusammenzubringen. Da die öffentlichen Kassen auch im Zusammenhang mit der Finanzkrise deutlich leerer geworden sind, ist es ganz besonders wichtig, dass hier neue Finanzierungsquellen eröffnet werden.“ Konkret denkt Dafe zum Beispiel an Geldanlagen, die Banken Privatpersonen anbieten, mit denen dann Projekte der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit unterstützt werden.

Staat, Wirtschaft und Privatpersonen – drei Pfeiler, auf denen die Finanzierung der „Sustainable Development Goals“ aufbauen. „Ich bin der Meinung, dass muss ein Zusammenspiel aller drei Akteure sein“, sagt Christina Alff von Oikocredit, einer Organisation, die gemeinhin als Pionier des ethischen Investments gilt.

Privates Geld

Seit 40 Jahren stellt die auf eine Initiative des Ökumenischen Rates zurückgehende Organisation kirchliche und private Gelder für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung: „Die Privatwirtschaft ist zum Beispiel prädestiniert dazu, in die regionalen Wirtschaftskreisläufe zu investieren, dadurch Arbeitsplätze zu schaffen, die Einkommen zu sichern. Die staatliche Entwicklungszusammenarbeit muss das Reglement auf der nationalen Ebene in die Hand nehmen: die Gesetzgebung beraten, dass Wirtschaft überhaupt investieren kann, dass es weniger Bürokratie gibt, dass Steuern bezahlt werden etc.“, so Alff. Neben Staat und Wirtschaft seien auch gemeinnützige Organisationen sehr wichtig. „Wir müssen mit diesen drei verschiedenen Akteuren zusammenarbeiten. Nur dann kann das ganze wirklich funktionieren“.

Bild: © Kopp/Misereor

„Wenn Großinvestoren kommen, verlieren die Kleinbauern in der Regel Gelände und Möglichkeiten, ihre Subsistenzwirtschaft durchzuführen und für den Eigenbedarf zu sorgen. Deshalb ist mir eigentlich im Bereich Landwirtschaft erstmal jeder große Investor sehr suspekt.“ Das ist die Meinung von Florian Hammerstein. Der studierte Ökonom ist Geschäftsführer eines Unternehmens in Freiburg, das sich dem nachhaltigen Handel mit äthiopischem Wildkaffee verschrieben hat. „Die kleinbäuerlichen Strukturen sind eine unglaublich gute Basis, um Existenzen aufzubauen und zu fördern, weil der Selbstversorger seine Selbstversorgung gut in den Griff bekommen hat. Das Geld, was dann dazu kommt, ist tatsächlich zusätzliches Einkommen, das direkt in die Tasche des Kleinbauern wandert. Wenn er die Selbstversorgung verliert und beim Investor nur Tagelöhner sein kann, begibt er sich in eine Abhängigkeit. Er kann entlassen werden und verliert somit nicht nur seine Sub-, sondern tatsächlich seine Existenz“, sagt der studierte Ökonom Hammerstein, der mit der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit GIZ kooperiert.

Grün gewaschen

Im Zusammenhang der Entwicklungsfinanzierung fällt auch häufig das Stichwort „Greenwashing“, ein besonderes Problem bei der Finanzierung nachhaltiger Entwicklung durch große Unternehmen. Greenwashing meint, dass große Unternehmen ihre schlechte Nachhaltigkeits-Bilanz durch ein eher symbolisches finanzielles Engagement in Ländern des globalen Südens sauber- bzw. grün zu waschen versuchen. Florian Hammerstein sagt: „Die Gefahr ist auf jeden Fall da, weil die Konsumenten gerne grüne Unternehmen sehen. Deshalb ist das Risiko relativ groß, dass man nach Methoden greift, bei denen man sein normales Business nicht verlassen muss und dennoch das gute Image bekommt.“ Auch Oikocredit-Mitarbeiterin Christine Alff bestätigt: „Das machen mittlerweile nicht nur alle Firmen in Europa und in den USA, sondern auch internationale Konzerne. Greenwashing ist ein Problem. Wir brauchen international transparente Standards und eine Zertifizierung für bestimmte Produkte – sei es Bekleidung, sei es Windenergie, sei es Wasserenergie. Das ist ein großes Problem.“

Kooperationen
Nur durch das intelligente Zusammenwirken von Staat, Wirtschaft und Privaten sind die UN-Entwicklungsziele bis zum Jahr 2030 zu finanzieren. Welche Rolle spielen kirchliche und karitative Partner in dieser Kooperation? Stipanka Stanic ist Ökonomin und arbeitet für die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, zurzeit ist sie Projektmanagerin bei „developpp“ in Ostafrika. Für sie ist die Kirche vor Ort oft ein wichtiger Partner: „Kirchliche Träger können als Projektpartner auftreten, insbesondere in Afrika, wo viel braches, ungenutztes Land zur Verfügung steht, das bis dato nicht genutzt wird. So haben wir beispielweise in Tansania ein Projekt, in dem kirchliche Diözesen Ländereien zur Verfügung stellen, auf denen Produkte gepflanzt werden. Im Zuge des Projektes werden ca. 80 Arbeitsplätze vor Ort geschaffen.“

Christina Alff von Oikocredit sieht die Aufgabe von Kirche vor allem darin, sich um die Ärmsten der Armen zu kümmern. Hier geht es weniger um Entwicklungszusammenarbeit, sondern mehr um unmittelbare Nächstenliebe. „Es wird immer darum gehen, dass Kirchen und soziale Organisationen spendenbasiert Unterstützung leisten. Aber wie wir wissen: Die Zahlen der absolut Armen sind in den letzten 20 Jahren gesunken – und zwar immens, insbesondere durch die Fortschritte in Indien und China.“ Zunehmend wichtiger würde die kritische Begleitung der Entwicklungszusammenarbeit durch kirchliche Akteure, meint Alff: „Die Kirchen können uns aufmerksam machen auf Fehlentwicklungen, gerade wenn staatliche Entwicklungszusammenarbeit auf der Regierungsebene nicht greift, wenn unten nichts ankommt bei den Leuten. Und Kirchen haben aus meiner Sicht die Funktion, ein Wachhund zu sein. Was passiert in den jeweiligen Ländern? Da kommt ihnen eine immense Bedeutung zu – plus Bildung, Ausbildung und soziale Aktivitäten.“

© Radio Vatikan