Wie die Kirche Frauen im Kongo aus der Hölle holt
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Wie die Kirche Frauen im Kongo aus der Hölle holt

Kongo ‐ Die Traumatherapeutin Therese Mema ist eine der Hauptpersonen in der Doku „Goldkinder“, die das ZDF heute Abend zeigt. Sie hilft Opfern sexueller Gewalt im Osten des Kongo - dort, wo der Kampf um begehrte Rohstoffe für Handys besonders heftig tobt.

Erstellt: 08.11.2016
Aktualisiert: 08.11.2016
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Der junge Chor singt aus vollem Hals - und die Gemeinde von Mwanda klatscht begeistert mit. Auch beim dritten Gottesdienst an diesem Sonntag ist die katholische Kirche rappelvoll. Nebenan liegt der Kivu-See ruhig zwischen den saftig grünen Hügeln im Osten des Kongo. Besucher wähnen sich im Paradies - für die Bewohner ist es oft die Hölle. Viele Gottesdienstbesucher haben unvorstellbares Leid erlebt.

Zum Beispiel Marieme. Auf dem Rücken der zierlichen jungen Frau schläft ihre fünf Monate alte Tochter Lorantine in einem Tuch. Nach einer Vergewaltigung war sie schwanger geworden: „Bomben werden solche Kinder in den Dörfern genannt“, erklärt Sozialarbeiterin und Traumatherapeutin Therese Mema, „denn viele glauben, die Kinder werden wie ihre Väter, die Vergewaltiger“.

ZDF-Doku „Goldkinder“ über Missio-Projekt im Kongo

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Dank der Hilfe im Traumazentrum der Gemeinde kann Marieme heute offen reden. Therese Mema koordiniert 18 solcher Zentren im Bistum Bukavu, die sie mit Unterstützung des katholischen Hilfswerks Missio aufgebaut hat. Für ihre Arbeit wurde sie mit dem Eichstätter Shalompreis und anderen renommierten Menschenrechtspreisen ausgezeichnet. Die ZDF-Doku „Goldkinder“ zeigt am heutigen Dienstag ab 22.15 Uhr unter anderem, wie Therese Mema den Frauen hier aus der Hölle hilft.

Marieme erzählt weiter: „Gegen acht am Abend kamen mehrere Männer in unser Haus. Sie fesselten meinen Mann ans Bett und sagten, sie würden ihn sofort erschießen, wenn er nur einen Ton sagt.“ Einer der Rebellen wollte sie sofort vergewaltigen, „doch die anderen sagten: Sie ist so hübsch, wir müssen sie unserem Kommandanten bringen.“ Einen Monat lang wurden die Frauen dort geschlagen und zum Sex gezwungen, dann gelang Marieme mit vier weiteren die Flucht. Endlich zu Hause, wollte ihr Mann aber nichts mehr von ihr wissen. Das Kind der Rebellen brachte sie allein zur Welt. „So werden die Frauen zweimal bestraft“, erklärt Therese Mema.

Nach langen Gesprächen mit ihr versucht das Paar, seinen Weg wieder gemeinsam zu gehen. Inzwischen spielt Mariemes Mann schon mal mit Lorantine. Doch wenn sie krank ist oder weint, sagt er noch heute: „Das Baby ist vom Teufel!“ So hat Marieme an manchen Tagen das Gefühl, sie bekommt eine zweite Chance im Leben – „aber an manchen Tagen wünschte ich mir, die Rebellen hätten mich getötet“.

Grausamer Kampf um Rohstoffe

Die Region im Osten des Kongo ist ein Krisenherd. Rebellen überfallen hier nachts kleine Ortschaften. Sie rauben und töten, sie fallen über Frauen und Kinder her. Dahinter steckt meist der grausame Kampf um Rohstoffe wie Gold oder Coltan, letzteres unverzichtbar für Smartphones. Der Hauptzweck der Gewalt: Geld für Waffen durch Mineralien. Die werden deshalb auch „Konfliktmineralien“ genannt.

Die Regierung scheint machtlos. Auch die UN-Blauhelme schauen oft nur zu. Oft kümmert sich allein die katholische Kirche um die leidenden Menschen. Marieme bringt uns zu einem kleinen dunklen Raum. Hier bieten Therese und ihre Mitarbeiterinnen regelmäßig Sprechstunden an.

Die Geschichten der Opfer sind erschütternd: Ausgeraubt, Mann erschossen, Kind entführt, vor den Augen des Mannes vergewaltigt, Messer in den Bauch gerammt. „Sie haben mir nach der Vergewaltigung in mein Auge geschossen. Ich überlebte, aber ich hatte nichts mehr, habe mich in den blutigen Kleidern hierher geschleppt“, erzählt eine Frau: „Therese und die Mitarbeiter gaben mir neue Kleidung, brachten mich nach Bukavu in die Klinik.“ Heute kann sie wieder normal sprechen, doch noch immer hat sie Schmerzen in der linken Kopfhälfte.

Alles das, nur weil viele Rebellengruppen ihren Kampf mit wertvollen Rohstoffen finanzieren. Und dort, wo es in der Nähe Rohstoffe wie Gold oder Coltan gibt, wird es gewalttätig, werden wie im Kongo immer wieder Dörfer überfallen. Viele dieser Konfliktmineralien werden letztlich für Handys in aller Welt gebraucht. Die „37-Grad“-Dokumentation „Goldkinder – Der Konflikt um Mineralien“ fragt außerdem nach, woher das Gold für unseren Schmuck kommt, und beschreibt, dass neben Gold und Coltan noch weitere Rohstoffe existieren, um die es gefährliche Konflikte gibt.

Von Harald Oppitz und Gottfried Bohl (KNA)

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