
Bischof prangert Misswirtschaft in Nigeria an
Nigeria ‐ Im Nordosten Nigerias können wegen des Terrors von Boko Haram und den daraus resultierenden Folgen 1,9 Millionen Menschen immer noch nicht zurück in ihre Heimatdörfer. Ein weiterer Grund dafür ist laut Stephen Dami Mamza, Bischof der Diözese Yola, auch die anhaltende Korruption. Ein Interview.
Aktualisiert: 07.07.2017
Lesedauer:
Im Nordosten Nigerias können wegen des Terrors von Boko Haram und den daraus resultierenden Folgen 1,9 Millionen Menschen immer noch nicht zurück in ihre Heimatdörfer. Ein weiterer Grund dafür ist laut Stephen Dami Mamza (47), Bischof der Diözese Yola, auch die anhaltende Korruption. Er kritisiert im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), dass nicht einmal die Hälfte der Spenden bei den Vertriebenen ankommt.
Frage: Bischof Mamza, seit Monaten verkündet die nigerianische Armee regelmäßig Erfolge im Kampf gegen Boko Haram. Sind die Terroristen tatsächlich besiegt?
Mamza: Boko Haram ist längst nicht geschlagen. Es gibt viel Propaganda vonseiten des Militärs. Wenn die Gruppe besiegt wäre, dann würde es nicht jede Woche Anschläge in Dörfern rund um den Sambisa-Wald geben.
Frage: Das unzugängliche Gebiet an der Grenze zu Kamerun gilt als wichtiger Rückzugsort der Islamisten.
Mamza: Dort verstecken sich noch viele tausend Anhänger. Das wirkt sich auch auf die Lage der Binnenflüchtlinge aus. Bis heute können viele nicht in die Gegenden um Madagali und Gwoza zurückkehren. Allerdings besetzt die Gruppe nicht mehr große Gebiete wie noch vor zwei Jahren.
Frage: Im Nordosten Nigerias sind aktuell immer noch rund 1,9 Millionen Menschen auf der Flucht. Es wäre also noch zu früh, diese zurück in ihre Heimatdörfer zu schicken?
Mamza: Das wäre selbstmörderisch, vor allem, wenn sie aus der Nähe des Sambisa-Waldes stammen. Einige Orte im Bundesstaat Adamawa, etwa Mubi, Michika, Hong und Gombi, gelten als sicher. 90 Prozent der Binnenflüchtlinge, die von dort geflohen sind, konnten zurückkehren. Andere Orte sind aber noch zu gefährlich.

Frage: Laut den Vereinten Nationen sind 5,8 Millionen Menschen im Nordosten aktuell auf Unterstützung bei der Versorgung mit Lebensmitteln angewiesen. Wie schätzen Sie die Situation ein?
Mamza: Sie ist wirklich schlecht. Aufgrund der Krise haben viele Menschen drei bis vier Jahre lang ihre Felder gar nicht bewirtschaftet. Sie haben nichts, um ihre Familien zu versorgen. Daher sind sie von nationalen und internationalen Organisationen abhängig, ...
Frage: ...die es glücklicherweise gibt.
Mamza: Das stimmt. Es geht jemandem, der heute Hilfe bekommt, gut. Aber was ist mit der Zukunft? Wie zahlen Familien zum Beispiel die Schulgebühren? Wir brauchen langfristige Pläne, damit die Menschen wieder selbst Verantwortung übernehmen können.
Frage: Wie können Organisationen konkret helfen?
Mamza: Wir sind mitten in der Regenzeit. Das heißt: Die Menschen müssen ihre Felder bestellen. Doch sie haben kein Geld für Saatgut. Wenn es dafür eine Unterstützung, auch in Form eines Mikrokredits, gibt, können sie den Grundstein für ihre Zukunft legen.
Frage: Nigeria hat den Ruf, sehr korrupt zu sein. In den vergangenen Wochen wurde erneut kritisiert, dass zahlreiche Spenden nie ankommen.
Mamza: Ja, viele Fälle sind bestätigt. Betroffen ist insbesondere der Nordosten. Vor allem Hilfsgüter, die für Binnenflüchtlinge bestimmt waren, sind verschwunden.
Frage: Haben Sie als Bischof die Möglichkeit, darüber zum Beispiel mit dem Gouverneur des Bundesstaates Adamawa zu sprechen?
Mamza: Wir haben schon Pressekonferenzen dazu gegeben. Meiner Meinung nach aber ist die Zentralregierung in Abuja hauptverantwortlich. Sie muss eine Gruppe einsetzen, die überwacht, dass Spenden auch ankommen. Ansonsten wird immer etwas abgezweigt werden und die Bedürftigen bekommen nicht einmal die Hälfte von dem, was für sie bestimmt war.
„Wenn jemand mit einem neuen Auto gesehen wird, fragt niemand, woher das Geld dafür stammt.“
Frage: Auch die Armee hat angeblich Gelder, mit denen Waffen zur Bekämpfung der Terrorgruppe Boko Haram gekauft werden sollten, veruntreut.
Mamza: Korruption ist in beinahe jede Institution eingesickert. Es ist bedauerlich, dass es nicht besser, sondern schlechter wird. Auch religiöse Einrichtungen machen keine Ausnahme. Umso wichtiger ist es, darüber zu sprechen. Heute verhält es sich wie folgt: Wenn jemand mit einem neuen Auto gesehen wird, fragt niemand, woher das Geld dafür stammt. So lange er reich ist, wird er respektiert. Dabei muss genau das in Frage gestellt werden. Ansonsten ermuntert es geradezu zur Veruntreuung von Geldern.
Frage: Haben Sie die Möglichkeit, in Gottesdiensten darüber zu sprechen?
Mamza: Natürlich. Das machen die Priester und ich regelmäßig. Das Problem ist ein anderes: Viele Menschen hören zwar zu, verhalten sich aber anders. In der Kirche sind viele Christen. Doch sobald sie diese verlassen, sind sie keine Christen mehr. Das gilt ebenso für Muslime. In einer Umfrage ist Nigeria einmal zu dem am stärksten religiösen Land der Welt gewählt worden. Im selben Jahr war Nigeria das korrupteste Land weltweit.
Frage: Wie gehen Sie vor, wenn Sie feststellen, dass einer Ihrer Priester korrupt ist?
Mamza: Würde ich das feststellen, dann würde ich ihn im Rahmen des Kirchenrechts bestrafen. Dafür gibt es klare Regeln.
© KNA