„Wir brauchen im Kongo eine ethische Elite“
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„Wir brauchen im Kongo eine ethische Elite“

Demokratische Republik Kongo ‐ Leonard Santedi leitet die Katholische Hochschule in der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa. Im Interview nimmt er Stellung zur politischen Krise um Präsident Joseph Kabila, der gemäß der Verfassung eigentlich Ende 2016 sein Amt hätte abgeben müssen.

Erstellt: 01.02.2018
Aktualisiert: 01.02.2018
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Mit rund 4.000 Studenten zählt die 1987 gegründete Katholische Universität des Kongo (UCC) nicht zu den größten, aber zu den renommiertesten des Landes. Seit Oktober 2016 leitet Leonard Santedi (58) die Hochschule in der Hauptstadt Kinshasa. In dem immer wieder von Konflikten erschütterten zweitgrößten Flächenstaat Afrikas gilt die katholische Kirche als moralische Instanz. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) nimmt Santedi, der Anfang der Woche zu Gast beim Hilfswerk Misereor war, Stellung zur politischen Krise um Präsident Joseph Kabila, der gemäß der Verfassung eigentlich Ende 2016 sein Amt hätte abgeben müssen.

Frage: Herr Santedi, im Kongo mehren sich die Proteste gegen Joseph Kabila und seine Regierung. Warum ist der Präsident immer noch im Amt?

Santedi: Das kann ich Ihnen auch nicht sagen. Was ich aber sagen kann: Der Verfassung nach beträgt die Amtszeit des Präsidenten fünf Jahre, mit der Option, sie ein zweites Mal zu verlängern. Kabila ist 2006 und 2011 gewählt worden. Folglich hätte es 2016 Neuwahlen geben müssen – ohne ihn. Doch diese Wahlen haben leider bis jetzt nicht stattgefunden.

Frage: Und Kabila sitzt weiter im Präsidentenpalast von Kinshasa.

Santedi: Die große Mehrheit der Zivilgesellschaft und auch der Opposition besteht auf Einhaltung der in der Verfassung festgeschriebenen Regeln. Auch die katholische Kirche hat immer wieder betont, dass es sich um die Grundlagen des Gemeinwesens handelt. Wenn wir einen Rechtsstaat haben wollen, müssen wir die Verfassung achten – und alle Menschen anhalten, dies ebenfalls zu tun.

Frage: Stattdessen mehren sich seit dem Jahreswechsel Proteste gegen Kabila, die von der katholischen Kirche unterstützt werden. Ein Jahr zuvor noch hatten die Bischöfe als Mittler das sogenannte Silvesterabkommen ausgehandelt. Geht die Kirche nun stärker auf Konfrontationskurs?

Santedi: Die Kundgebungen richten sich nicht gegen eine einzelne Person.

Frage: Sondern?

Santedi: Die Kirche im Kongo hat sich stets dafür eingesetzt, den Grundrechten Geltung zu verschaffen. Es geht um Respekt vor der Verfassung – und um die Durchsetzung der beim Silvesterabkommen erzielten Vereinbarungen. In diesem Sinne haben die Pfarrer in ihren Gemeinden die Glocken läuten lassen. Das gleiche gilt für die Protestmärsche, zu denen das Komitee katholischer Laien im Kongo (CLC) aufrief. Aber noch mal: Die Kirche will sich nicht auf die eine oder andere Seite schlagen und jetzt etwa Partei für die Opposition ergreifen. Sie steht auf der Seite der Rechtsstaatlichkeit und will die Menschen daran erinnern, dass ohne diese Werte der Weg in den Abgrund führt.

Frage: Haben Sie den Eindruck, dass die Proteste etwas gebracht haben?

Santedi: Leider nein – was höchst bedauerlich ist. Wir hätten uns gewünscht, dass der Staat verantwortungsvoller agiert. Kardinal Laurent Monsengwo hat sinngemäß gesagt: Es gilt die Herrschaft des Gesetzes, aber nicht das Recht des Stärkeren. Wir hätten Verständnis dafür gehabt, wenn die Sicherheitskräfte versucht hätten, die Proteste zu beaufsichtigen, sie zu flankieren, weil sie von den Behörden nicht genehmigt waren. Tatsächlich jedoch haben wir eine unverhältnismäßige Anwendung von Gewalt mit blutigem Ausgang erlebt. Das ist höchst verwerflich und hat mit zu der dramatischen Situation geführt, in der wir uns augenblicklich befinden.

Frage: Was aber kann die Kirche, können die Bischöfe jetzt noch tun?

Santedi: Die Bischöfe werden in diesem Monat ihre Vollversammlung abhalten. Sie werden die Situation analysieren, die Zeichen der Zeit lesen und daraus ihre Schlüsse ziehen. Auf der einen Seite müssen sie Hoffnung verbreiten unter der Bevölkerung, damit sich die Menschen nicht entmutigen lassen.

Frage: Auf der anderen Seite?

Santedi: ...müssen sie die politisch Verantwortlichen an ihre Pflichten erinnern. Eine schwierige Aufgabe – aber sie werden die passenden Worte finden.

Frage: Wie ist die Stimmung unter den Studenten?

Santedi: Es herrscht eine große Ungewissheit und Unruhe. An staatlichen Universitäten gab es einige Kundgebungen, die aber von Ordnungskräften unterdrückt wurden. An der Katholischen Universität veranstalten wir Diskussionsrunden, Seminare und Begegnungen. Erst in der vergangenen Woche war der Generalsekretär der Bischofskonferenz zu Gast und hat zusammen mit Politikern, Vertretern aus Wirtschaft und Gesellschaft über die aktuelle Lage gesprochen. Unsere Studenten haben das sehr aufmerksam verfolgt. Sie sind es, die demnächst in diesem und für dieses Land arbeiten werden. Wir bilden die Elite von morgen aus; und wir glauben daran, dass eine Gesellschaft ohne Werte keine Zukunft hat.

Frage: Kann es aber sein, dass genau darin das Problem liegt: dass es im Kongo an einer verantwortungsbewussten Elite fehlt?

Santedi: Uns fehlt es an einer Elite, die dem Gemeinwohl verpflichtet ist. Wir brauchen so etwas wie ethisches Leadership. Das wollen wir an unserer Universität fördern.

Frage: Wäre nicht gerade jetzt auch international mehr Unterstützung für den Kongo angezeigt?

Santedi: Unbedingt. Wenn das Volk friedlich demonstriert und die Proteste von Sicherheitskräften brutal zerschlagen werden, dann darf die Staatengemeinschaft nicht schweigend zusehen. Sonst sind doch alle Predigten zu den Menschenrechten nur hohles Gerede! Außerdem wären alle Investitionen, die man bislang in den Aufbau des Kongo gesteckt hat, vergebens. Es braucht also mehr Druck, von der EU, aber auch von den Vereinten Nationen.

Frage: Als neuer Wahltermin ist der 23. Dezember anvisiert. Halten Sie das für machbar?

Santedi: Es muss klappen. Die Wut der Menschen rührt ja daher, dass man den Termin schon zweimal aufgeschoben hat. Wenn es in diesem Jahr nicht gelingt, die Wahlen zu organisieren, wird alles nur noch schlimmer.

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