Orden über Konsequenzen aus der Missbrauchsstudie
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Orden über Konsequenzen aus der Missbrauchsstudie

Ordensgemeinschaften ‐ In der am Dienstag veröffentlichten Studie über den Missbrauch in der katholischen Kirche tauchen Ordensleute nur auf, wenn sie seelsorgerisch in einer Gemeinde tätig waren. Die Vorsitzende der DOK, Katharina Kluitmann, über die Konsequenzen.

Erstellt: 27.09.2018
Aktualisiert: 23.03.2023
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Als der Missbrauchsskandal vor acht Jahren öffentlich wurde, hatten ehemalige Schüler des Canisius-Kollegs in Berlin Übergriffe durch Patres des Jesuitenordens angezeigt. In der am Dienstag veröffentlichten Studie über den Missbrauch in der katholischen Kirche tauchen Ordensleute nur auf, wenn sie seelsorgerisch in einer Gemeinde tätig waren. In einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) spricht die Vorsitzende der Deutschen Ordensobernkonferenz (DOK), Katharina Kluitmann, darüber, welche Konsequenzen die Kirche jetzt ziehen muss.

Frage: Schwester Katharina, Sie sind seit einem Jahr Präventionsbeauftragte der Deutschen Ordensobernkonferenz und seit wenigen Wochen deren Vorsitzende. Was ist Ihre wichtigste Erkenntnis beim Thema Missbrauch.

Kluitmann: Wir müssen in jedem Fall bei der Aufarbeitung die Betroffenen einbeziehen. Und wir müssen ihnen genau zuhören.

Frage: Bei der Vorstellung der Studie über Missbrauch in der katholischen Kirche waren Sie dabei. Ordensleute sind dort nur zu einem geringen Teil einbezogen, planen Sie eigene Studien?

Kluitmann: Wir werden die Studie lesen, und wir werden uns mit Experten – das sind für uns Wissenschaftler und Betroffene – zusammensetzen und schauen, ob und welche Parallelstudien der Orden sinnvoll und leistbar sind.

Frage: Wovon hängt das ab?

Kluitmann: Zum einen ist die Situation bei Männer- und Frauenkongregationen unterschiedlich, da auch gesamtgesellschaftlich die Täter sexualisierter Gewalt überwiegend Männer sind. Bei manchen Gemeinschaften gibt es nur noch wenige Vertreter, die alle selbst in Altenheimen gepflegt werden müssen. Dort macht weder eine Aufarbeitung noch Prävention Sinn. Wichtig ist es sicher, die Gemeinschaften in den Blick zu nehmen, die mit Kindern und Jugendlichen in Kontakt kommen, sei es in Institutionen wie beispielsweise Internaten, sei es in der Seelsorge.

Frage: Können Sie denn jetzt schon absehen, was etwa die Orden bei der Aufarbeitung anders machen sollten?

Kluitmann: Notwendig ist eine gründliche Aufarbeitung, möglicherweise auch mit Wissenschaftlern. Im Bereich der Prävention ist schon viel geschehen, wir versuchen als Dachverband die Mitglieder weiter zu unterstützen.

Frage: Was muss mit Blick auf die gesamte Kirche geschehen?

Kluitmann: Ich glaube, es hat sich schon eine Menge verändert. Die unterschiedlichen Ebenen der Kirche merken, dass der Kampf gegen Missbrauch nur gemeinsam gelingen kann. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, hat seine Bereitschaft angedeutet, mit staatlichen Stellen zusammenzuarbeiten. Auch die Bischofskonferenz selbst öffnet sich zunehmend: Ich war als Ordensvertreterin mit anderen, beispielsweise Betroffenen, auch eingeladen und wir konnten auch mitdiskutieren. Das ist sehr zu begrüßen.

Frage: Welche Reformen erwarten Sie?

Kluitmann: Es ist jetzt klar geworden, dass es ein „Weiter so“ nicht mehr geben kann und dass es sich nicht um Einzeltäter handelt, sondern dass es systemische Strukturen gibt, die einen Missbrauch begünstigen. Die Orden sind traditionell näher an den Menschen dran, sie haben in der Vergangenheit die ersten Krankenhäuser und Mädchenschulen gegründet. Vielleicht können wir gemeinsam einen Schritt weitergehen.

Frage: Was könnte das bedeuten?

Kluitmann: An unserer Kommunikationskultur müssen wir weiter arbeiten. In der Ausbildung muss die eigene Gefühlswelt eine wichtige Rolle spielen. Dabei meine ich nicht nur die eigene Sexualität, sondern auch die Gottesbeziehung und Gefühle. Die Wissenschaftler attestieren vielen Priestern eine emotionale Unreife. Wie können sie da gute Seelsorger sein?

Auch die Stellung der Frauen muss sich verändern. Eine klerikale Welt ist heute gleichzusetzen mit einer Männerwelt. Das führt natürlich zu ganz anderen dynamischen Prozessen als in einer gemischt-geschlechtlichen Konstellation.

Frage: Zu Priestern können aber nur Männer geweiht werden ...

Kluitmann: Im 21. Jahrhundert darf es auch da keine Denkverbote mehr geben. Es ist unrealistisch, eine Diskussion über eine Weihe von Frauen einfach für beendet zu erklären. Die Kirche braucht tiefgreifende Reformen. Das ist natürlich für all die unangenehm, die derzeit von dem System profitieren.

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