Völkermord in Ruanda jährt sich zum 25. Mal
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Völkermord in Ruanda jährt sich zum 25. Mal

Kriege und Konflikte ‐ Experten vermuten, dass der Genozid in Ruanda 1994 von langer Hand vorbereitet wurde. Er zählt zu den größten Schrecken des 20. Jahrhunderts - und zu den größten Versagen der Weltgemeinschaft.

Erstellt: 05.04.2019
Aktualisiert: 05.04.2019
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Experten vermuten, dass der Genozid in Ruanda 1994 von langer Hand vorbereitet wurde. Er zählt zu den größten Schrecken des 20. Jahrhunderts - und zu den größten Versagen der Weltgemeinschaft.

Schon lange vorher war Ruanda ein Konfliktherd. Dabei wurde der vermeintliche Rassenkonflikt zwischen den Hutu-Ackerbauern und den Tutsi-Viehzüchtern erst von den deutschen Kolonialherren und später von den belgischen konstruiert. Vor allem die sogenannte erste Republik in Ruanda (1962-1973) wurde von Mordwellen an Tutsi, Flucht und Vertreibung geprägt. Im Gedächtnis der Hutu wiederum blieb das Tutsi-Massaker von 1972 an den Hutu im Nachbarland Burundi haften. Als dann Exil-Ruander Anfang der 90er Jahre den Norden des Landes angriffen, sahen radikale Hutu ihre Stunde der Rache gekommen.

Umstritten war die Rolle der Kirche: Viele Menschen wurden in Gotteshäusern umgebracht oder von Priestern und Ordensleuten an ihre Verfolger ausgeliefert. Die katholischen Bischöfe haben sich für die Rolle Einzelner entschuldigt, eine generelle Verantwortung der Kirche allerdings zurückgewiesen. 2017 gestand dann aber Papst Franziskus doch eine Mitschuld der Kirche ein und bat um Vergebung.

Immer noch schwelt der Konflikt in dem Land. Bis heute polarisieren Fragen wie: „Wer schoss den Präsidentenjet ab?“ Ermittlungen französischer Gerichte, nach denen Anhänger von Kagame Schuld am Abschuss hätten, führten zu einer Eiszeit zwischen beiden Regierungen. Im Land leben Täter und Opfer wieder Tür an Tür.

Der Weg gleicht einem Abstieg in die Hölle: Der weiße Gebäudekomplex des „Genocide Memorial Center“ liegt an einem der vielen Hänge von Ruandas Hauptstadt Kigali. Wer die Terrassen der Außenanlage hinabsteigt, kann nicht über die großen Betondeckel hinwegsehen, unter denen die Überreste von mehr als 250.000 Menschen begraben sind. Marmortafeln mit endlosen Namenskolonnen zeigen das Ausmaß des Völkermordes von 1994. Wände voller Fotos erinnern an insgesamt 800.000 bis eine Million Opfer.

Dazwischen Zettel mit hastig geschriebenen Kurznachrichten. „Thierry Ishimwe, neun Monate alt, ein schmales und schwaches Baby“, so wird eines der ermordeten Kinder vorgestellt. „Lieblingsgetränk: Muttermilch. Todesursache: Machete, in den Armen seiner Mutter.“

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Am 6. April sind 25 Jahre vergangen, seit das Flugzeug des ruandischen Präsidenten Juvenal Habyarimana abgeschossen wurde – und am nächsten Tag eine Orgie der Gewalt über das ostafrikanische Land hereinbrach: In 100 Tagen töteten radikale Hutu-Milizen Hunderttausende Angehörige der Tutsi-Minderheit und gemäßigte Hutu.

Der Völkermord war vorbereitet: Radiosender verbreiteten Hassparolen, Macheten wurden gehortet, Milizen gegründet. Rund 2.500 UN-Blauhelme sahen dem Gemetzel tatenlos zu und wurden nach zehn Tagen abgezogen – ein großes Versagen der Weltgemeinschaft. Erst der Einmarsch von Exil-Tutsis der Ruandischen Patriotischen Front (RPF) unter dem heutigen Staatspräsidenten Paul Kagame beendete die Massaker. Der damalige US-Präsident Bill Clinton hat sich mehrfach für die Passivität der USA während des Genozids entschuldigt. Kofi Annan, späterer UN-Generalsekretär, brauchte Jahre, um als damaliger Verantwortlicher für die UN-Mission in Ruanda zumindest einen Teil der Verantwortung zu übernehmen.

Schon lange vorher war Ruanda ein Konfliktherd. Dabei wurde der vermeintliche Rassenkonflikt zwischen den Hutu-Ackerbauern und den Tutsi-Viehzüchtern erst von den deutschen Kolonialherren und später von den belgischen konstruiert. Vor allem die sogenannte erste Republik in Ruanda (1962-1973) wurde von Mordwellen an Tutsi, Flucht und Vertreibung geprägt. Im Gedächtnis der Hutu wiederum blieb das Tutsi-Massaker von 1972 an den Hutu im Nachbarland Burundi haften. Als dann Exil-Ruander Anfang der 90er Jahre den Norden des Landes angriffen, sahen radikale Hutu ihre Stunde der Rache gekommen.

Rolle der Kirche umstritten

Umstritten war die Rolle der Kirche: Viele Menschen wurden in Gotteshäusern umgebracht oder von Priestern und Ordensleuten an ihre Verfolger ausgeliefert. Die katholischen Bischöfe haben sich für die Rolle Einzelner entschuldigt, eine generelle Verantwortung der Kirche allerdings zurückgewiesen. 2017 gestand dann aber Papst Franziskus doch eine Mitschuld der Kirche ein und bat um Vergebung.

Immer noch schwelt der Konflikt in dem Land. Bis heute polarisieren Fragen wie: „Wer schoss den Präsidentenjet ab?“ Ermittlungen französischer Gerichte, nach denen Anhänger von Kagame Schuld am Abschuss hätten, führten zu einer Eiszeit zwischen beiden Regierungen. Im Land leben Täter und Opfer wieder Tür an Tür.

Zur Versöhnung beitragen sollten die traditionellen Gacaca-Gerichte, vor denen sich die Täter im Beisein der ganzen Dorfgemeinschaft verantworten mussten. Bis 2012 wurden fast zwei Millionen Fälle verhandelt, 65 Prozent der Angeklagten verurteilt. Für die Drahtzieher errichtete der UN-Sicherheitsrat 1994 den Internationalen Strafgerichtshof von Arusha im Nachbarland Tansania. Bis 2015 wurden 93 Menschen angeklagt und 62 verurteilt.

Mittlerweile gilt Ruanda vielfach als Erfolgsgeschichte und Anker der Stabilität. Die Korruption wird hart bekämpft. Das Wirtschaftswachstum ist hoch, Frauen sind überdurchschnittlich oft in Führungspositionen zu finden. Doch es gibt auch eine andere Seite: Menschenrechtsorganisationen werfen Kagame vor, Ruanda in einen autoritären Staat zu verwandeln. Auch die Außenpolitik erscheint aggressiv: So mischt sich Ruanda wiederholt im benachbarten Kongo ein. Die Spannungen zu Burundi und Uganda haben sich verstärkt. Die Regierungen werfen sich gegenseitig vor, regierungsfeindliche Gruppen im jeweils anderen Land zu unterstützen.