Museen verpflichten sich zu Transparenz über koloniale Sammlungen
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Museen verpflichten sich zu Transparenz über koloniale Sammlungen

Bildung ‐ Die Ethnologischen Museen im deutschsprachigen Raum haben sich zu mehr Transparenz bei ihren Sammlungen aus kolonialer Vergangenheit verpflichtet. Das geht aus einer gemeinsamen Erklärung von Museumsleitern hervor. Dabei geht es um mehr als nur die Rückgabe der Objekte.

Erstellt: 06.05.2019
Aktualisiert: 19.12.2022
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Die Direktor/innen der Ethnologischen Museen im deutschsprachigen Raum haben sich zu mehr Transparenz bei ihren Sammlungen aus kolonialer Vergangenheit verpflichtet. Das geht aus einer gemeinsamen Erklärung hervor, die die Museumsleiter am Montag im Anschluss an ihre Jahreskonferenz in Heidelberg veröffentlichten.

Demnach wollen die ethnologischen Museen und Sammlungen die Öffentlichkeit und die Herkunftsländer über den Verbleib, den Hintergrund und die aktuellen Forschungen zu Kulturgütern aus der Kolonialgeschichte verstärkt aufklären. Gemeint sind etwa sterbliche Überreste, Grabgegenstände und Sakralobjekte, die während der Kolonialzeit zu Unrecht entwendet und nach Deutschland gebracht wurden.

Eine Rückgabe solcher Objekte verstehe sich von selbst, so die Museumsleiter. Darüber hinaus sei es aber Kulturauftrag der Museen, das Wissen über diese Objekte zu erforschen und zu vermitteln. Hierfür müsse eine kooperative Provenienzforschung zum allgemeinen Standard werden, die die Herkunftsgesellschaften mit einbeziehe. Möglichen Konflikten um die Bewahrung einzelner Objekte wolle man „ethisch, gleichberechtigt und menschlich“ begegnen und gemeinsam mit den Herkunftsgesellschaften Lösungen finden.

Als zentrale Herausforderung stellen die Museen hier den Übergang vom analogen zum digitalen Zeitalter heraus. Für eine gemeinsame Zukunft der Weltgemeinschaft mit ihrem Reichtum an kulturellen Zeugnissen brauche es einen respektvollen Umgang sowohl mit dem materiellen als auch mit dem immateriellen Wissen. Für eine Verständigung darüber seien Museen wichtige Dialogforen.

Die Museumsleiter nehmen hierbei auch die politischen und institutionellen Träger in die Pflicht: Von ihnen erwarten sie ein klares politisches und finanzielles Bekenntnis und mehr Entscheidungskompetenzen für die Museen und Sammlungen im Umgang mit diesen besonderen Kulturgütern. Universitäten forderten die Museumsleiter dazu auf, praxisnahe Ausbildungsformate anzubieten und die Forschung entsprechend finanziell auszustatten. Träger- und Mittelgeberorganisationen seien zudem aufgefordert, Ressourcen hierfür gerecht zu verteilen.

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Zu den Unterzeichnern gehören unter anderen die Leiterinnen des Linden-Museums Stuttgart, des Weltkulturen Museums Frankfurt a.M., des Rautenstrauch-Joest-Museums Köln und des Museums Fünf Kontinente in München. Vereinzelt war es in den vergangenen Monaten bereits zu aufsehenerregenden Rückführungen von Kulturgütern in die Herkunftsländer gekommen. So hatte das Linden-Museum Stuttgart im März gemeinsam mit der Stadt Stuttgart und dem Land Baden-Württemberg zwei Kulturgüter an den namibischen Staat zurückgegeben – eine Peitsche und eine Bibel vom Stamm der Witbooi.

Die Herkunft und Bewahrung kolonialer Kulturgüter werden in der deutschen und europäischen Kultur- und Forschungslandschaft derzeit neu diskutiert. In Frankreich hat Staatspräsident Emmanuel Macron Wissenschaftler engagiert, um Möglichkeiten der Rückgabe kolonialer Objekte an die Herkunftsländer zu untersuchen. Der Bericht wurde im November 2018 übergeben. In Deutschland haben Bund, Länder und Gemeinden Mitte März 2019 ein Eckpunktepapier verabschiedet, wonach Herkunftsgesellschaften über die Bestände aus der Kolonialgeschichte informiert und Rückführungen erleichtert werden sollen. In diesem Zusammenhang plädierte der Deutsche Kulturrat für eine stärkere Einbeziehung der Kirchen und der Missionssammlungen.

Unterdessen nahm am Montag in Berlin ein neuer wissenschaftlicher Beirat des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste seine Arbeit auf. Damit kann es bald mit der Förderung von Forschungsvorhaben zur Herkunft von Kulturgütern aus kolonialen Kontexten starten. Dem Gremium gehören neun Mitglieder an, darunter die Kunsthistorikerin Benedicte Savoy aus Berlin und Albert Gouaffo aus dem Kamerun. Vorsitzende ist Barbara Plankensteiner vom Museum am Rothenbaum in Hamburg.

Der Beirat soll Förderanträge zu kolonialem Kultur- und Sammlungsgut bewerten, die an das Zentrum in Magdeburg gerichtet werden. Für den neuen Bereich stellt Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) knapp zwei Millionen Euro zur Verfügung. Kultureinrichtungen könnten nun dabei unterstützt werden, Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten in ihren Beständen zu erforschen, sagte sie.

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