Papst beendet Balkanreise
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Papst beendet Balkanreise

Papst ‐ Der Papst kam, um die kleine Herde der Katholiken zu stärken und Brücken zwischen Kulturen und Gläubigen zu bauen. Ersteres gelang ihm. Beim zweiten Vorhaben wurde klar, dass ihm nicht alle so schnell folgen wollen.

Erstellt: 07.05.2019
Aktualisiert: 07.05.2019
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Der Papst kam, um die kleine Herde der Katholiken zu stärken und Brücken zwischen Kulturen und Gläubigen zu bauen. Ersteres gelang ihm. Beim zweiten Vorhaben wurde klar, dass ihm nicht alle so schnell folgen wollen.

Das Mutter-Teresa-Gedenkhaus in Skopje ist ein seltsames Gebäude: architektonisch eine Mischung aus südosteuropäischem Wohnhaus mit indischen Elementen. Ursprünglich stand hier jene Kirche, in der die gebürtige Agnes Gonxha Bojaxhiu am 27. August 1910 getauft wurde. Die Tochter eines albanischen katholischen Kaufmanns im Osmanischen Reich, die im hinduistischen Indien zu einem Sinnbild für Nächstenliebe wurde und den Friedensnobelpreis erhielt, ist heute Nationalheldin des kleinen orthodox geprägten Nordmazedonien. Eine Geschichte ganz nach dem Geschmack von Franziskus.

Überhaupt spricht der Papst in diesen Tagen oft vom Balkan als Ort der Begegnung, friedlicher Koexistenz und gegenseitiger Bereicherung. Der kulturelle Reichtum Nordmazedoniens sei Spiegelbild eines „äußerst kostbaren und wertvollen Erbes, der multiethnischen und multireligiösen Zusammensetzung des Volkes“, so Franziskus vor politischen Vertretern des Landes. Dann folgt ein Satz, auf den hier viele warten: Die engere Integration mit den europäischen Ländern möge sich „für die ganze westliche Balkanregion positiv entwickeln“ – und zwar „stets in der Achtung der Verschiedenheit und der Grundrechte“.

Manchen allerdings ist nicht nur sein Werben, sondern auch der Aufwand des Staatsbesuchs zu viel. Erst müsse das Land seinen Namen ändern, dann komme der katholische Papst in das orthodoxe Land – das alles rieche doch nach westlicher Vereinnahmung, umschreibt die mazedonische Journalistin Biljana Zherevska einen Teil der Gefühlslage im Land.

Dass die dreitägige Papstreise insgesamt ein Drahtseilakt ist, zeigt sich besonders am Montagabend. Beim Friedensgebet auf dem zentralen Unabhängigkeitsplatz in Bulgariens Hauptstadt Sofia war bis zuletzt unklar, ob und wie die orthodoxe Kirche vertreten sein würde. Ein gemeinsames Gebet sei nicht möglich, hatte die Kirchenleitung bereits vor vier Wochen mitgeteilt. Am Montag traten dann als orthodoxe Vertreter ein Kinderchor auf sowie der kurzfristig eingesprungene Religionsminister des Landes.

Indizien einer etwas verworrenen Regie, deren Wirkung von strömendem Regen nicht gerade erhellt wird. Immerhin gehen bei dem böigen Wind die Friedenslichter nicht aus, die frierende Kinder und Jugendliche in der Hand halten. Unter den Ehrengästen in der ersten Reihe sitzt Ministerpräsident Bojko Borissow lässig ohne Schirm und Hut. Dass es zeitweise schüttet, scheint dem früheren Chef einer Sicherheitsfirma nichts anzuhaben. Borissow pflegt das Image des harten Mannes – auch bei Grenzsicherung und Migrationspolitik.

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Zwar sind die Flüchtlingszahlen rapide gesunken, aber die EU musste Sofia ermahnen, im Umgang mit Migranten doch Mindeststandards einzuhalten. Nicht nur am Montagmorgen beim kurzen Besuch in einem Migrantenzentrum an Sofias Stadtrand bittet und fordert Franziskus Offenheit und Verständnis für die Nöte dieser Menschen.

Für die katholische Minderheit in Bulgarien und Nordmazedonien ist der Besuch ihres Oberhauptes ein Lebensereignis, das der „kleinen Herde“ unvergesslich bleiben wird. Gerade sie fordert Franziskus auf, „mutig und kreativ“ zu sein, Vorbilder gesellschaftlichen Engagements zu werden, die auf Gottes Beistand vertrauen. „Männer und Frauen Gottes sind die, die den Mut zum ersten Schritt haben“, sagt Franziskus und zitiert dazu seinen Vorgänger Johannes XXIII., er habe „nie einen Pessimisten getroffen, der etwas Gutes hervorgebracht hätte“.

Das ist auch eine Aufforderung gerade an junge Menschen, im Land zu bleiben. Das „Drama der Auswanderung“ nach dem Fall des Eisernen Vorhangs hat Bulgarien schwer getroffen. Der Papst lobt Gegenbemühungen der Regierung in Sofia. Tatsächlich war im vergangenen Jahr die Zahl junger Bulgaren, die in ihre Heimat zurückkehren, erstmals größer als die der Auswanderer.

Die noch kleinere Herde von rund 15.000 Katholiken in Nordmazedonien warnt der Papst am Dienstagmittag bei einer Messe auf dem zentralen Mazedonien-Platz in Skopje vor Gleichförmigkeit. Konformismus führe nur zu Gleichgültigkeit und Gefühllosigkeit. „Wir haben uns mit Träumen von Pracht und Größe ernährt und letztlich doch nur Ablenkung, Verschlossenheit und Einsamkeit gegessen“, mahnt Franziskus.

Warnungen vor westlich-materiellen Verlockungen würden viele orthodoxe Bischöfe unterschreiben. Wie förderlich die Reise für die Ökumene sonst sein wird, ist unsicher. Tatsächlich wird Franziskus' Reise in beiden Ländern von vielen vor allem politisch bewertet. Entweder als Zuspruch und internationale Anerkennung – oder als überzogene Selbstdarstellung, weil man als Oberhaupt einer winzigen Minderheit im Land nicht mit dem bombastischen Aufwand eines als westlich empfundenen Staatsoberhauptes daherkommt.

Da passt Mutter Teresa als Vorbild besser. Deswegen kann sich Franziskus in der Kapelle ihrer Gedenkstätte auch mit Vertretern anderer Kirchen und Religionen treffen und in deren Anwesenheit zu ihr beten: „Heilige Mutter Teresa, bitte für diese Stadt, für dieses Volk, für seine Kirche und für alle, die Christus dem Guten Hirten als seine Jünger folgen wollen.“

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