Der CSU-Politiker Gerd Müller hört als Entwicklungsminister auf
Bonn ‐ Bei der nächsten Bundestagswahl im Herbst 2021 tritt er nicht mehr an. Bis dahin aber will er weiter die Entwicklungspolitik "mit voller Kraft" gestalten.
Aktualisiert: 12.09.2022
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Dass er gern Entwicklungsminister ist, daraus hat Gerd Müller nie einen Hehl gemacht. Der 65-Jährige CSU-Politiker mag das internationale Parkett und das Reisen - auch ohne geschliffene Englischkenntnisse -, er schildert gerne seine Erlebnisse und ist immer wieder für eine teils gar nicht nach CSU klingende Schlagzeile zu haben. Am Sonntag nun gab er bekannt, bundespolitisch in den Ruhestand zu gehen. Bei der nächsten Bundestagswahl im Herbst 2021 tritt er nicht mehr an. Bis dahin aber will er weiter die Entwicklungspolitik „mit voller Kraft" gestalten.
Der Diplom-Wirtschaftspädagoge hat sein Studium auf dem zweiten Bildungsweg an der Katholischen Universität Eichstätt abgeschlossen und später über den Beitrag der Jungen Union an der Jugend- und Erwachsenenbildung promoviert. Auch in der katholischen Kirche ist Müller sozialisiert worden, konkret in der Katholischen Landjugendbewegung. Mittlerweile ist er gewählte Einzelpersönlichkeit im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK).
Der Katholik Müller fühlt sich dem „Weltethos“-Projekt des Theologen Hans Küng verbunden. Seine „Eine Welt“-Politik ist stark von Küngs Idee beeinflusst, einen Konsens der Religionen in Wertefragen zu erzielen. Schon 2015 hatte das Entwicklungsministerium die Broschüre „Die Rolle von Religion in der deutschen Entwicklungspolitik“ veröffentlicht.
Müller wird geschätzt, sowohl bei den für kirchliche Entwicklungshilfe verantwortlichen Bischöfen als auch bei Hilfswerken. Als einziger Minister blieb er nach der Bundestagswahl 2018 seinem Ressort treu. Damals betonte ZdK-Präsident Thomas Sternberg: „Gut, dass wir die engagierte Arbeit für die 'Eine Welt' mit unserem Mitglied Gerd Müller weiter fortsetzen können.“ Auch der katholische Weltkirche-Bischof Ludwig Schick gratulierte.
Unter Müller ist der Entwicklungs-Etat auf zuletzt rund zehn Milliarden Euro angewachsen. Vor allem Afrika war ein Schwerpunkt seiner Arbeit. Mit seinem „Marshall-Plan“ für Afrika – ein „Jahrhundertkonzept“ wie Müller es selbst nennt – sollen Reformpartner auf dem „Chancenkontinent“ gestärkt werden, Gesundheitsprogramme ausgebaut und auch Bildung und Korruptionsbekämpfung vorangetrieben werden.
Aber, und das war Müller stets wichtig zu betonen, der Anstoß soll aus der afrikanischen Bevölkerung selbst kommen. Es gehe nicht darum, dem Nachbarkontinent ein Programm überzustülpen, sondern um eine Partnerschaft auf Augenhöhe „mit Afrika“. Ebenfalls auf seiner Agenda waren faire Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie. Seit einem Jahr garantiert das von dem Minister initiierte Siegel „Grünen Knopf“ solche.
Müller hat kein Problem damit, auch einmal anzuecken. So lehnte er 2014 im Gegensatz zu Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck eine persönliche Teilnahme an der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien ab – aus Protest gegen die sozialen und ökologischen Bedingungen in dem lateinamerikanischen Land. Auch zur anstehenden WM in Katar äußerte er sich kritisch.
In den letzten Tagen hatte der CSU-Politiker mit einer Position jenseits der Linie von Innenminister Horst Seehofer (CSU) Schlagzeilen gemacht, der ebenfalls seine politische Karriere beenden will. Müller plädierte dafür, 2.000 Flüchtlinge aus dem abgebrannten griechischen Lager Moria aufzunehmen, während sein Parteifreund nur von 100 bis 150 Minderjährigen sprach. Unterstützung bekam der Entwicklungshilfeminister von Seiten der Kirchen, etwa dem Würzburger Bischof Franz Jung, aber auch von der ehemaligen stellvertretenden CSU-Parteivorsitzenden Barbara Stamm.
Das ist keine Seltenheit, denn auch das andere noch offene Großprojekt Müllers, ein Lieferkettengesetz, erfährt Zuspruch von kirchlichen Vertretern und Verbänden. Sein Kabinettskollege Hubertus Heil von der SPD twitterte am Sonntag mit Bezug auf die Initiative, „bevor Du die Brücke verlässt, haben wir beide noch etwas zu erledigen. Herzlichst Dein Arbeitsminister.“
Erzbischof Schick bedauert Rückzug von Entwicklungsminister
Der Bamberger Erzbischof Dr. Ludwig Schick hat mit Bedauern auf den angekündigten Rückzug von Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) reagiert. In einem Brief an den CSU-Politiker schrieb Schick am Dienstag: „Als Vorsitzender der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz danke ich Ihnen für Ihren Einsatz für das Gemeinwohl in der globalen Welt."
Die Zusammenarbeit mit Müller sei immer von Wohlwollen und gegenseitiger Achtung geprägt gewesen, fügte der Erzbischof hinzu. „Voller Dankbarkeit denke ich auch daran, dass Sie den Einsatz der Kirche für Entwicklung, Gerechtigkeit, Friede und Bewahrung der Schöpfung immer geschätzt, gefördert und in der Öffentlichkeit auch gewürdigt haben." Schick betonte, er empfinde großen Respekt für Müllers Entscheidung und könne die dafür genannten Gründe nachvollziehen.
© Text: KNA/Anna Mertens und Christian Wölfel (KNA)