Das Township Alexandra bei Johannesburg: Seit Karfreitag ist die Armensiedlung in Südafrika als jener Ort bekannt, an dem eine Flasche Bier ein Todesurteil besiegeln kann. Seine angeblichen Mörder überraschten Collin Khosa vergangene Woche in seinem Garten. „Sie traten ihn und schlugen ihn gegen die Mauer“, berichtet sein Bruder. „Als ich ihn ins Krankenhaus bringen wollte, war er bereits tot.“ Die Täter: Soldaten. Sie warfen dem Mittvierziger vor, gegen die Notstandsgesetze in der Corona-Pandemie verstoßen zu haben.
Der brutale Tod des Township-Bewohners sorgte für einen Schock in dem Schwellenland – und bewegte Sicherheitsexperten angesichts der zunehmenden Fälle von Polizeigewalt zu der Warnung: Es drohe eine „Revolte“, wenn Sicherheitskräfte Corona Maßnahmen weiter mit Gewalt durchsetzen.
Vor drei Wochen traten in Südafrika strenge Ausgangsbeschränkungen in Kraft. Der Verkauf von Tabak und Alkohol ist ebenso verboten wie Spaziergänge oder Joggen. Ins Freie dürfen die Südafrikaner nur zum Einkaufen oder um einen Arzt aufzusuchen. Bisher verzeichnet das Land mit 2.500 Infizierten die meisten Corona-Fälle auf dem Kontinent. Die Armee unterstützt die Polizei bei der Überwachung der Maßnahmen.
„Wo Sicherheitskräfte ihre Autorität missbrauchen, verlieren sie das Vertrauen und den Respekt der Bürger“, sagt Lindy Heinecken, Sozialwissenschaftlerin an der Uni Stellenbosch. Und hätten die Gesetzeshüter erst mal ihre Glaubwürdigkeit und Legitimität verloren, komme es schnell zu noch mehr Einschüchterung und Drohungen.
In den vergangenen Tagen kursierten Bilder in den Medien, die angeblich zeigen, wie Polizisten Passanten zu Liegestützen und Kniebeugen zwingen. Südafrikas interne Polizeiermittlungsbehörde IPID teilte mit, mindestens 38 Fälle von Amtsmissbrauch seit Inkrafttreten der Ausgangssperre zu untersuchen. Im Fall des getöteten Familienvaters Khosa ermittelt die Polizei wegen Mordes. Ein Sprecher der südafrikanischen Armee versicherte: „Wir werden keine Amtshandlungen außerhalb des Gesetzes dulden.“
Beobachter am Kap sind sich jedoch einig: Es wird wieder zu Gewalt durch Ordnungskräfte kommen – und vor allem die Bewohner der Armenviertel treffen. „In diesen Gebieten ist es sehr viel schwieriger, sich an den Lockdown zu halten“, so die Entwicklungsexpertin Lauren Graham von der Uni Johannesburg.
„Grundlegende Dinge wie Wasserleitungen oder Sanitäranlagen liegen außerhalb der Häuser. Zudem haben die meisten Bewohner in den informellen Siedlungen keine Kühlschränke, weshalb sie öfter nach draußen müssen, um Geschäfte aufzusuchen.“ Für die Bewohner von wohlhabenderen Bezirken sei es „viel einfacher, sich an die strengen Ausgangsbeschränkungen zu halten, ohne dabei ihre Lebensgrundlage oder ihre Grundbedürfnisse zu vernachlässigen“, so Graham.