Der Konflikt hat seinen Ursprung in der Teilung von Britisch-Indien 1947 in das mehrheitlich islamische Pakistan und das mehrheitlich hinduistische Indien. Das vorwiegend islamische Fürstentum Kaschmir sollte selbst entscheiden, welchem Staat es sich anschließen wollte. Als paschtunische Krieger aus Pakistan den Westen Kaschmirs besetzten, rief der damals regierende hinduistische Maharadscha Hari Singh die indische Armee zur Hilfe und erklärte im Oktober 1947 den Beitritt seines Fürstentums zu Indien.
Kritiker der Entscheidung Modis zur Machtübernahme in Kaschmir befürchten nun eine Hinduisierungswelle. Inder aus anderen Teilen des Landes ist es ab sofort erlaubt, Land in Kaschmir zu erwerben. Vor allem hinduistische Stiftungen stehen in den Startlöchern, um entlang der Pilgerstraße nach Amarnath Grundstücke zu kaufen.
Allerdings könnte der Traum eines hinduistischen Immobilienbooms schnell platzen. Die seit Jahrzehnten im indischen sowie im pakistanischen Teil Kaschmirs aktive Widerstandsbewegung gegen die Vorherrschaft Indiens wird die „Neuordnung“ laut Beobachtern nicht geduldig hinnehmen – auch wenn die indischen Sicherheitsbehörden in den letzten Tagen Hunderte von Politikern, Abgeordneten, Journalisten und Dissidenten in Kaschmir festgenommen haben sowie Telefonleitungen und Internet gekappt haben.
Das offizielle Pakistan reagierte jetzt zunächst mit der Abberufung seines Botschafters aus Indien und die Suspendierung des Handels mit dem großen Nachbarn auf die neue Situation in Kaschmir. Nach Ansicht von Sicherheitsexperten ist jedoch die Gefahr eines (Atom-)Kriegs zwischen Pakistan und Indien gestiegen. Unter der Überschrift „Modis Endlösung“ betonte Ashraf Jehangir Qazi, der als ehemaliger Botschafter Pakistans in den USA, Indien und China wirkte, am Samstag in einem Kommentar für die pakistanische Tageszeitung „Dawn“: „Die nächsten Tage sind entscheidend.“
Vor dem islamischen Opferfest hat Indien am Sonntag laut Regierungsangaben die restriktiven Maßnahmen in Kaschmir etwas gelockert. Kaschmiri in der Hauptstadt Srinagar dürfen von Telefonen in Behörden mit der Außenwelt sprechen – aber nur für zwei Minuten und unter Aufsicht von Soldaten.
Von Michael Lenz (KNA)
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