Maria Chepisheva, Leiterin der örtlichen Caritas-Station, fährt zwei junge Freiwillige über die holprigen Nebenstraßen der Stadt. Der Projektpartner des deutschen Osteuropahilfswerks Renovabis baut im Ort einen ambulanten Pflegedienst auf. Doch Tabletten bringen und Puls messen reichten nicht aus, betont die Caritas-Leiterin: „Dank unserer Freiwilligen können wir Zeit mit den alten Menschen verbringen, denn viele leben völlig alleine.“ Gerade die sozial Schwachen wie Behinderte und Gebrechliche erhalten vom Staat wenige Hilfen. Soziale Projekte gehören noch immer zur Ausnahme in dem Land. Früher habe laut Chepisheva die Familie vieles aufgefangen, „doch heute leben die Kinder oft im Ausland oder sind in die großen Städte gezogen“. In der Provinzhauptstadt Plovdiv probt Chepisheva nach Dienstschluss mit einem etwas ungewöhnlichen Kirchenchor. Gemeinsam mit rund 50 Sängerinnen und Sängern drängt sie sich drei Stunden lang in einen kleinen Gruppenraum, um für die große Papstmesse in Sofia zu üben.
Nicht alle Anwesenden können dann am 5. Mai tatsächlich teilnehmen, da der Chor für die Messe auf dem „Prinz-Alexander-Platz“ aus drei landesweiten Gruppen zusammengestellt wird – im Probenraum ist ein Hauch von „Bulgarien sucht den Super-Chor“ zu spüren.
Stojan wirkt mit seinen langen dunklen Haaren, einem Lippen-Piercing und den vielen Ohrringen wie ein bunter Vogel unter all den fröhlichen Chormitgliedern. In Deutschland könnte man ihn sich gut beim „Wacken-Open-Air“ vorstellen. Und doch kennt er nahezu jede Zeile der Lieder auswendig, die heute auf dem Probenplan stehen. „Für mich ist es eine sehr große Ehre, Teil dieses Chorprojekts zu sein, und ich bin stolz, mit meiner Stimme einen Beitrag leisten zu können.“
Für ihn sind modernes Leben und Kirche keine Gegensätze: „Kirche ist nicht altmodisch, und Papst Franziskus hat einen guten Weg gefunden, uns junge Menschen zu erreichen.“ Dass das Oberhaupt seiner Kirche ausgerechnet seinen Heimatort besuchen wird, hat ihn schon sehr überrascht, und er sieht darin eine große Chance: „Wenn ich jetzt sehe, wie wir alle diesem Ereignis entgegenfiebern, wenn ich sehe, wie sich alle in unserer kleinen Stadt an den Vorbereitungen beteiligen, dann merke ich, welche Kraft auch von diesem Besuch ausgeht. Wir wachsen alle noch mehr zusammen.“
Zusammenhalt, glaubt Stojan, ist in diesen Tagen wichtiger denn je für Bulgarien: „Die jungen Leute haben das Recht, ihr Glück in einem anderen Land zu suchen.“ Er selbst hat ein abgeschlossenes Studium als Logopäde – und arbeitet doch in einer Textilfabrik für Damenmode. Trotzdem sieht er seine Zukunft hier: „Klar läuft einiges schief hier im Land, aber: Bulgarien, das sind wir alle. Auch wir Bürger müssen an uns arbeiten.“ Papst Franziskus wird bei seinem Balkan-Besuch auf viele engagierte Menschen treffen.
Von Harald Oppitz (KNA)
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