Frage: Wie weit ist Ihre Haltung auch in den Projekten von Misereor erkennbar?
Spiegel: Es gibt weltweit Millionen Männer und Frauen, die mit ihrer täglichen Arbeit der Ausgrenzung und dem Fremdenhass entschieden entgegentreten. Auch in unseren Projekten setzen sie sich jeden Tag für eine tolerante Gesellschaft, Respekt, Frieden und Demokratie ein. Zum Beispiel sorgen Christen und Muslime in Burkina Faso gemeinsam für gesunde Ernährung und nachhaltige Landwirtschaft. Kooperation und der gemeinsame Lösungswille sind entscheidend, nicht die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft oder kulturelle Unterschiede. Der Klimawandel führt zu immer häufigeren Dürren und plötzlichem Starkregen, was die Landwirtschaft in der Region vor immer neue Herausforderungen stellt. Über 50 Prozent der Bevölkerung beteiligt sich mittlerweile an einem interreligiösen Projekt, womit das friedliche Miteinander der Religionsgemeinschaften bis heute stark gefördert wird.
Auch im Nahen Osten, im Libanon und in Syrien setzen sich der Flüchtlingsdienst der Jesuiten (JRS) und die Organisation „Pontifical Mission Lebanon“ unbeirrt für vertriebene Menschen und Kriegsopfer ein – unabhängig davon, ob es sich um Christen, Sunniten, Schiiten, Alawiten oder Angehörige weiterer Religionsgemeinschaften handelt. Sie helfen mit Lebensmitteln, medizinischer und psychosozialer Versorgung und dem Wiederaufbau der Häuser. Sie unterstützen und ermöglichen Kindern geflüchteter Familien den Schulbesuch. Es gibt viele weitere Beispiele. Der Grundgedanke Misereors und seiner Partner ist Mitmenschlichkeit und Barmherzigkeit; das in Wort und Tat zum Ausdruck zu bringen, ist Gebot der Stunde.
Diese Aktion soll ein klares Zeichen für die Werte der Freiheit, Demokratie und Solidarität setzen. Mit dieser Haltung tritt Misereor hörbar und sichtbar allen Populisten, Nationalisten und Anti-Demokraten entgegen, die in zunehmendem Maße Menschen angreifen, ausgrenzen und diskriminieren – weil sie sich an deren Hautfarbe, Religion oder sexuellen Orientierung stören, an ihrer politischen Überzeugung oder ihrem Lebensstil. Denn vieles, für das Misereor steht, gerät derzeit in vielen Ländern in Gefahr und unter Druck: Internationale Kooperation und Ausgleich, Gerechtigkeit und Solidarität, Mitmenschlichkeit, Demokratie und Menschenrechte.
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