Der Handstreich war nach Maßstäben der vatikanischen Öffentlichkeitsarbeit ungewöhnlich gut vorbereitet. Zur eigentlichen Mitteilung reichte der Vatikan effektvoll gestaffelt eine Erklärung des Presseamtsleiters und ein Statement von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin nach, letzteres sogar mit einem Video, das offenkundig vor der Abreise aufgezeichnet worden war.
Bei dem Timing mochten verschiedene Aspekte eine Rolle gespielt haben. Eine Erklärung lautet, dass der Vatikan Rücksicht auf die chinesischen Partner nehmen musste, die das Thema zeitig vor dem Nationalfeiertag am 1. Oktober vom Tisch haben wollten. Das wäre ein Zeichen mehr, dass letztlich Peking den Takt angibt, und würde die zweite Annahme stützen: dass es der Kirchenleitung nicht ganz unrecht war, am Wochenende unterwegs zu sein und so Anfragen zu entgehen.
Teile der katholischen Kirche in China betrachten die Annäherung mit Skepsis, ja Bitterkeit. Kardinal Zen Ze-kiun aus Hongkong sprach in einem Interview von einem „unglaublichen Verrat“, forderte gar Kardinalstaatssekretär Parolin zum Rücktritt wegen „Verrats des katholischen Glaubens“ auf. Der Chefdiplomat des Papstes liefere seine Schutzbefohlenen „den Wölfen zum Fraß“ aus, so Zen.
Parolin betonte, erstmals seit Jahrzehnten stünden alle katholischen Bischöfe in China in Gemeinschaft mit dem Papst. Zeitgleich mit dem Abkommen legalisierte Franziskus den Status von sieben aktiven Bischöfen, die ohne päpstliche Zustimmung geweiht worden waren, unter ihnen drei exkommunizierte. Ebenfalls am Samstag errichtete der Papst das Bistum Chengde, in dem einer der Bischöfe, Joseph Guo Jincai, seit 2010 mit Pekings Gnaden waltet.
Um die Rehabilitierung zu ermöglichen, bat der Vatikan laut Medienberichten schon im Januar zwei Untergrundbischöfe, ihren Platz zu räumen. Was mit den übrigen rund 30 Hirten geschieht, die keine Billigung Pekings besitzen, ist offen.
Manche Gläubige und Bischöfe der Untergrundkirche werden bei dem Abkommen fragen, ob es die Jahrzehnte der Angst und Diskriminierung, nicht selten auch Haft und Gewalt wert war – oder ob das Bündnis zwischen Vatikan und Peking sie womöglich neuen Repressalien aussetzt. Ihre Leiden kommen in den offiziellen Erklärungen nicht vor; das scheint der bittere Preis, den der Papst seinen getreuesten Gläubigen zumutet.
Franziskus sagte in Vilnius, jede Generation müsse den Geist bewahren, der ihr in der Vergangenheit geholfen habe, „Situationen von Schmerz und Ungerechtigkeit in eine Chance zu verwandeln“. Ein Satz, wie gesprochen für China.