Frage: Fast zwei Drittel der rund 190 Millionen Einwohner sind jünger als 25 Jahre. Viele Politiker – auch Präsident Muhammadu Buhari – könnten ihre Eltern oder Großeltern sein. Hat die Jugend eine Zukunft in diesem Land?
Kukah: Aber natürlich. Allerdings schaffen wir nicht die passenden Rahmenbedingungen. Viele junge Menschen wollen unbedingt in die Politik gehen und an der Macht festhalten. Dafür hätten sie nicht zur Schule gehen müssen. Dabei haben wir so viele talentierte und flexible Jugendliche. Viele sind sehr erfolgreich in der Musik, im Kommunikationsbereich oder als Schriftsteller. Es geht nicht nur darum, wie viele Minister oder Gouverneure sind. Ohnehin bleibt die Tür in die Politik den allermeisten verschlossen. Ohne finanzielle Mittel ist man chancenlos. Leider sucht dieses Land nicht die guten Menschen, sondern diejenigen, die anderen die Knochen brechen können und viel Chaos anrichten, um an die Spitze zu kommen.
Frage: Dass Nigeria ein so junges Land ist, liegt vor allem an der hohen Geburtenrate. Die Bevölkerung wächst jährlich um vier bis zehn Millionen Menschen, nicht aber die Infrastruktur. Wie wichtig ist Familienplanung?
Kukah: Wir müssen in die wachsende Bevölkerung investieren. Nigeria darf sich aber nicht der Einstellung hingeben, dass diese Bevölkerung eine Gefahr ist. Eine Gefahr ist die Gier von wenigen. Es gibt genügend Nahrungsmittel und Fläche, um dieses Land zu versorgen. Überbevölkerung ist eine westliche Denkweise. Für uns Afrikaner ist Familienplanung eine ernste Angelegenheit, die es immer gab. Sobald sich Lebensumstände verbessern, wird sich auch die Art der Familienplanung ändern. Aber solange die Ressourcen nicht gerecht verteilt werden, werden Familien viele Kinder haben. Wenn sie hoffen, dass drei überleben, müssen sie zehn auf die Welt bringen.
Frage: Wie empfinden sie die Forderung des Westens nach Familienplanung?
Kukah: Der Westen soll uns bitte unsere Probleme selbst regeln lassen. Aus religiöser, kultureller und moralischer Sicht sehen wir unsere Bevölkerung nicht als Problem an. Der Westen hat genug von unseren Ressourcen gestohlen. Das ist schmerzhaft. Kein Multimillionär in Europa oder den USA hat die moralische Autorität, um uns zu sagen, wie viele Kinder wir haben sollen. Das Beste, was sie tun können, ist, dass sie die Hand aus unseren Taschen nehmen, damit wir mit unseren Problemen selbst fertig werden.