Frage: Was passiert mit den Festgenommenen?
Agrelo: Sie werden weg von der Küste in den Süden Marokkos gebracht. Das passiert mit viel Gewalt; es gibt Verletzte. Offizielle Informationen dazu gibt es nicht – eine unhaltbare Situation. Die Politik versagt. Es gibt kein Problembewusstsein und keine Idee, wie man eine gerechte Lösung für die Migrationsfrage finden könnte. Was wir brauchen, ist mehr Menschlichkeit. Die Einwanderer sind für niemanden eine Bedrohung.
Frage: Es gab Berichte über Migranten, die mit selbstgebauten Flammenwerfern und Ätzkalk auf Grenzbeamte in Ceuta losgegangen seien. Was sagen Sie dazu?
Agrelo: Noch nie hat ein Migrant Waffen für so etwas eingesetzt. Sie wissen genau, dass ihre einzige Waffe die Friedfertigkeit ist. Daran halten sie sich auch. Flammenwerfer und Ätzkalk gegen Grenzbeamte – wie soll das gehen? Das ist unmöglich. Leider hat diese Mitteilung der Guardia Civil für einen großen Skandal gesorgt und viel Schaden verursacht. Nun werden die Migranten in der Öffentlichkeit als aggressiv wahrgenommen, obwohl sie es gar nicht sind.
Frage: Diese Berichte sind also falsch?
Agrelo: Ich bin zwar kein Waffenexperte. Aber ich glaube nicht, dass sie der Wahrheit entsprechen.
Frage: Was meinen Sie: Sind den Europäern die Probleme der afrikanischen Migranten im Grunde egal?
Agrelo: Es gibt viele Menschen in Europa, die durchaus ein Gefühl dafür haben. Aber es deuten leider allerhand Indizien darauf hin, dass sich gerade ein latenter Rassismus ausbreitet. Das Ergebnis ist eine Ideologie der Zurückweisung. Was in Italien geschieht, ist ein gutes Beispiel dafür. Das sagt nichts Gutes aus über Europa. Diese Kriminalisierung der Zuwanderer muss ein Ende haben.
Frage: Welche Lösungen schlagen Sie vor, um die Migrationskrise zu entschärfen?
Agrelo: Das ist nicht meine Aufgabe als Bischof. Dafür sind Politik und Wirtschaft zuständig. Was ich suche, sind ethische Kriterien, wie man mit den vielen Menschen umgehen sollte, die nach Europa streben. Im Moment stelle ich fest, dass die Grundrechte dieser Personen systematisch verletzt werden. Jeder Mensch, der in Armut lebt, hat nach meiner Auffassung das Recht, sich eine bessere Zukunft zu suchen. Die EU-Staaten haben ihrerseits das Recht, ihre Grenzen zu kontrollieren. Damit habe ich kein Problem. Aber das bedeutet nicht, dass sie ihre Grenzen dichtmachen dürfen, um die Armen auszusperren. Gegen eine solche Politik sollten alle Christen ihre Stimme erheben.