Gerade die sogenannte Messias-Frage stelle „die eigentliche Streitfrage zwischen Juden und Christen“ dar, hält Benedikt XVI. fest. Richte sich die jüdische Messias-Erwartung auf einen auch politisch verstandenen Friedensbringer, so müsse man aus christlicher Sicht darauf verweisen, dass Jesus „nicht unmittelbar die vollendete neue Welt des Friedens bringen wollte (...), sondern den Menschen, auch den Heiden, Gott zeigen wollte“.
Insgesamt zielt der Text auf diverse theologische Differenzierungen, Präzisierungen und Vertiefungen in dem komplexen Feld des jüdisch-christlichen Dialogs. Auch die Frage des „nie gekündigten Bundes“ zwischen Gott und den Juden – eine Aussage, die auf Papst Johannes Paul II. zurückgeht (1978-2005) und zum heute selbstverständlichen Deutungshorizont des Judentums aus christlicher Sicht gehört – verlangt laut Benedikt XVI. nach Differenzierungen.
So gehöre etwa die „Kündigung“ eines Bundes nicht zur theologischen Begriffswelt des Alten Testaments. Auch die damit verbundene Vorstellung eines Vertrags auf Augenhöhe entspreche nicht der biblischen Theologie.
Der Wiener Dogmatiker und „Communio“-Herausgeber Jan-Heiner Tück sagte der Presseagentur Kathpress, der Beitrag Benedikts XVI. beanspruche „keinen lehramtlich-autoritativen Rang“, sondern sei vielmehr „so stark wie die Argumente, die er einbringt“. Tück sprach von einem „Zeugnis innerkirchlicher Reflexion“. Insofern sei dem Text auch mit einer „Hermeneutik des Wohlwollens“ entgegenzutreten, ohne die es kein Verstehen gebe. Allerdings befasse sich der Autor ausschließlich mit der Schärfung innerchristlicher Sprachregelungen. Ein eigentliches Gespräch mit der jüdischen Theologie werde hier nicht geführt.
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