Der Fall Santrich zeigt, wie schnell die Stimmung kippen kann. Während die FARC-Spitze eine Auslieferung des populären Ex-Guerilleros an die USA kategorisch ablehnt und sogar die Zukunft des Friedensprozesses davon abhängig macht, wächst in Teilen des Wahlvolkes der Unmut über die juristische Sonderbehandlung für Santrich – inklusive Vorwürfe an die Kirche.
Der Vorsitzende der Wahrheitskommission des Friedensprozesses in Kolumbien, Jesuitenpater Francisco de Roux, forderte Santrich auf, seinen andauernden Hungerstreik zu beenden. Dieser habe sich während der Friedensverhandlungen für die Opfer eingesetzt, stellte de Roux heraus. Er könne im Friedensprozess einen wichtigen Teil zur Wahrheitsfindung beitragen. Kritiker halten indes wenig von einer Straffreiheit im Tausch gegen Redseligkeit.
Den Unmut der kolumbianischen Wähler bekommt vor allem Humberto de la Calle zu spüren. Der Verhandlungsführer der Regierung bei den Friedensgesprächen gilt zwar als integere Persönlichkeit mit Format für das Präsidentenamt, ist laut den Umfragen aber chancenlos. Dagegen liegen mit Petro, ehemals Bürgermeister von Bogota und Mitglied der schon vor Jahren aufgelösten linksextremen Kampfgruppe M19, und Rechtsanwalt Duque zwei Kandidaten vorne, die mit populistischen Forderungen das Land polarisieren.
Petro wirbt für eine deutliche Stärkung des landwirtschaftlichen Sektors, Duque sieht Kolumbien auf dem Sprung zu einer modernen Nation und will in diesen Bereich investieren. Chancen, in die Stichwahl zu kommen, hat auch der ehemalige grüne Bürgermeister Medellins, Sergio Fajardo. Doch in der aufgeheizten Atmosphäre kommt sein Pragmatismus kaum zum Zug. Eine eventuelle Stichwahl findet Mitte Juni statt.