Frage: Was sind die Hintergründe dieser Krise?
Anagbe: Einige Menschen sagen: Die Fulani kommen, um ihr Vieh auf bestimmten Weiderouten grasen zu lassen. In den 1950er Jahren gab es dazu ein Gesetz, das noch aus der Kolonialzeit stammt. Die Umstände heute lassen diese Weiderouten aber gar nicht mehr zu. Als sie beschlossen wurden, hatten wir eine Bevölkerung von weniger als 50 Millionen Menschen. Heute sind es 200 Millionen.
Frage: Warum führt man nicht Alternativen ein, also die Weidehaltung, wie sie überall auf der Welt praktiziert wird?
Anagbe: Tatsächlich stellt sich bei der ganzen Diskussion eine andere Frage: Wenn es wirklich um Weideland geht, warum brennen sie Häuser und Kirchen nieder und warum töten sie Kinder, die gerade zwei Jahre alt sind? Für mich ist es ein Invasionskrieg mit einer muslimischen Agenda. Das ist meine Interpretation.
Frage: Der Gebrauch des Begriffs „Fulani-Terroristen“ verärgert viele Fulani, da sie sich als ethnische Gruppe stigmatisiert fühlen. Das kann neue, gefährliche Konflikte provozieren.
Anagbe: Ich weiß nicht, was daran gefährlich ist. Wenn sie keine Terroristen sind, warum machen sie dann mit ihnen gemeinsame Sache? Als wir in den 1960er Jahren aufwuchsen, lebten Fulani mit ihren Nachbarn zusammen. Sie brachten ihre ganzen Familien. Als die Regenzeit begann, gingen sie zurück. Doch heute kommen sie nicht mehr mit Kindern und Frauen. Was ist der Grund dafür? Sie kommen mit Waffen. Die normale Ausstattung eines Viehhirten ist ein Stock.
Frage: Ein normaler Viehhirte wird sich aber kaum ein Gewehr leisten können. Wer steckt dahinter und finanziert den Terror?
Anagbe: Ja, es ist unwahrscheinlich, dass jene, die mit den Herden umherziehen, dazu in der Lage sind. Es scheint, dass die Regierung das unterstützt. Es gab so viele Beschwerden. Wenn es der Regierung ernst wäre, würde sie sich darum kümmern. Auch hat es bisher keine Verhaftungen gegeben. Wir wollen sehen, dass Täter zur Rechenschaft gezogen werden. Sie sind doch Menschen und keine Geister. Aber wenn man sagt, dass sie hier sind, dann gehen weder die Polizei noch die Armee dorthin. Es heißt, man müsse auf den Befehl von oben warten. Die Machthaber unterstützen sie.
Frage: Die katholische Kirche in Nigeria stand bisher immer für einen interreligiösen Dialog. Wird dieser nun aufgekündigt?
Anagbe: Hier in Benue haben wir keine religiöse Krise. Wir haben Eindringlinge, die nicht von hier kommen. Wie soll ich mit ihnen einen Dialog führen? Die Kirche steht für ein friedliches Zusammenleben. Das heißt aber auch, dass man sich an Gesetze halten muss.
Frage: Was erwarten Sie von der Regierung unter Präsident Muhammadu Buhari, der selbst ein Fulani ist?
Anagbe: Er muss seine Verantwortung ernst nehmen. Er wurde zum Präsidenten für alle Menschen in diesem Land gewählt und nicht nur für eine bestimmte Gruppe. Er wurde nicht gewählt, weil er Muslim ist, sondern weil wir fanden: Er ist glaubwürdig. Wir wollen keine fadenscheinigen Entschuldigungen von ihm.