Frage: Aber auch in Deutschland sind für die Opfer von Zwangsprostitution Anlaufstellen und Schutzhäuser wichtig?
Haneke: Ja, von Solwodi gibt es beispielsweise ein großes Netz an Fachberatungsstellen und Schutzhäusern. Hier werden die Frauen auch zu Prozessen begleitet. Denn man will natürlich auch an die Schlepper und Zuhälter herankommen, die diese Mädchen drangsalieren und ihnen Gewalt antun. Dabei müssen die Opfer des Frauenhandels ja erst einmal aussagen. Viele von ihnen sind total verängstigt und verunsichert. Solwodi und andere Organisationen versuchen diese Mädchen so zu stabilisieren, dass sie am Ende auch bereit sind, gegen ihre Menschenhändler auszusagen. Nur so kommt man an diese Schlepperringe und nur so kommt es zu einem Gerichtsurteil gegen die Verantwortlichen. Das geschieht selten genug.
Frage: Haben Sie den Eindruck, dass das Problem der Zwangsprostitution zunimmt?
Haneke: Das Bewusstsein für die Problematik ist gestiegen, das Netzwerk der Organisationen, die sich um das Problem kümmern, ist enger und größer geworden. Und die Hilfsansätze in den Mittel- und Osteuropäischen Ländern, die solche Anlaufstellen für Opfer des Menschenhandels geschaffen haben, sind auch gewachsen und werden immer dichter. Hierbei kann auch Renovabis helfen.
Eine offene Flanke ist allerdings die Nachfrage. Diese ist in Deutschland weiterhin hoch und wird durch den Sex-Tourismus weiter angetrieben. Es gibt eben eine Selbstverständlichkeit und eine Legalität von Prostitution. In skandinavischen Ländern gibt es ja zum Teil ein Sex-Kauf-Verbot, bei dem nicht die Frauen, sondern die Freier bestraft werden. Das ist eine Forderung, die auch von einigen Organisationen in unserem Aktionsbündnis vertreten wird. Solange die Nachfrage nach Sex-Dienstleistungen so legal ist wie hierzulande, hat aber auch das Prostituiertenschutzgesetz, das seit diesem Jahr gilt, wenig Auswirkungen. Damit wurden zwar ein paar Bedingungen eingeführt, unter denen nicht mehr alles möglich ist in Bordellen, eine Kondompflicht etwa und dergleichen. Aber die Nachfrage regelt hier das Angebot und treibt den Markt weiter an.
Das Interview führte Claudia Zeisel
© weltkirche.katholisch.de