Der Jesuitenpater erhielt unterdessen Morddrohungen. Man zimmere schon seinen Sarg, so ein anonymer Anrufer. Dann kamen Warnungen von verängstigten Personen aus seinem Umfeld, er solle auf der Stelle ermordet werden. Man drängte ihn, Goiania zu verlassen. Auch die Kirchenleitung machte ihm Druck, sie wollte wohl keinen Märtyrer.
Bereits Anfang der 90er Jahre hatte Padre Geraldo in Manaus Ähnliches erlebt. Damals zeigte er ebenfalls Verbrechen der Polizei an, er spricht von „Todesschwadronen“. Als Konsequenz wurde das Sekretariat für Sicherheit der Landesregierung geschlossen. Der Pater hatte sich Feinde gemacht. Eines Tages umringten ihn plötzlich 16 Polizisten auf offener Straße, feuerten ein Maschinengewehr dicht an seinem Kopf ab. Die Kirchenleitung schickte ihn sofort nach Goiania. Er ziehe solche Geschichten wohl an, sagt er lächelnd.
Eine Verachtung für Arme stehe hinter den brutalen Aktionen, meint der Ordensmann. In Städten wie Manaus und Goiania herrsche noch eine Wild-West-Mentalität, gepaart mit Rassismus. „Wer schwarz und arm ist, gilt immer noch als Sklave, als Untermensch, und kann deshalb getötet werden.“ Selbst unter armen Leuten spüre er eine Scham, als arm angesehen zu werden. „Wenn ich ihnen sage, dass Gott die Armen liebt, wiegeln sie ab. Arm sein ist unwürdig. Niemand will als arm gelten.“
In den vergangenen Jahrzehnten ist Goiania vom unbedeutenden Provinznest zur Hauptstadt des Agrobusiness aufgestiegen. Neureiche Unternehmer wie die Fleischbarone Batista, die nach eigenen Angaben rund 2.000 Politiker landesweit geschmiert haben, prägen die Mentalität. „Hinter den brutalen Polizisten stehen meist Großgrundbesitzer aus dem Landesinneren, die viel Geld, aber keinerlei Kultur haben“, sagt Padre Geraldo. Die meisten seien ultrakonservativ und gehörten evangelikalen Kirchen an, was zu einem verqueren religiösen Sendungsbewusstsein gepaart mit Raffgier führe.
Die Polizisten, allen voran die berüchtigten ROTAM-Streifen, konnten stets sicher sein, nicht für ihre Taten belangt zu werden. Auf manchen Dienstwagen hatten sie provokative Aufkleber angebracht: „Papa zeugt Dich, Mama zieht Dich groß, und wir töten Dich!“ Viele der 2011 angezeigten Polizisten hätten mittlerweile Karriere gemacht, so der Pater. Einen Polizisten, dessen Entlassung wegen Misshandlung von Straßenkindern er vor Jahren erwirkt hatte, sah er vor kurzem im Fernsehen wieder. Bei einem Studentenprotest spaltete der Beamte im Frühjahr einem Studenten mit seinem Schlagstock den Schädel.
Er selbst fühle sich nicht mehr bedroht, sagt der Priester. Auch wenn manchmal seltsame Anrufe kämen. Im Landesinneren von Goias hat er nun ein neues Sozialprojekt gestartet. Schließlich müsse ja auch mal Schluss sein mit der Angst. „Die Zeit des Versteckens ist vorbei“, lautet sein Entschluss.