Frage: In Cartagena hielt der Papst eine große Menschenrechts-Rede, passenderweise, da der dort verehrte Jesuiten-Heilige Petrus Claver als Vorläufer der Menschenrechtsidee gilt. Was sind die wichtigsten Punkte dieser päpstlichen Menschenrechts-Rede?
P. Heinz: „Papst Franziskus hat in Cartagena erwähnt, dass das Menschenrechtszentrum von Kolumbien dort seinen Sitz hat, dass es aber bei der Verteidigung der Menschenrechte nicht nur um Bürokratie, nicht nur um Universitäten und Menschen geht, die diese Menschenrechte bekannt machen und verteidigen, sondern auch darum, dass die ‚kleinen Menschen‘ einander verzeihen. Er hatte da ganz starken Bezug auf das Tagesevangelium vom Sonntag genommen, wo Jesus uns einlädt, erst mit dem Bruder zu sprechen, um ein Verzeihen zwischen zwei strittigen Brüdern zu erreichen. Wenn dieses nicht funktioniert, solle man erst einen anderen dazu nehmen und dann die Gemeinschaft. In diesem Zusammenhang hat er in Cartagena natürlich auch erwähnt, dass es sehr viel Ungerechtigkeit zwischen arm und reich gibt, Cartagena ist ein Tourismuszentrum, wo es viele sehr arme, vor allem afro-kolumbianische Menschen gibt, die hier leben, aber auf der anderen Seite auch eine Gruppe von Reichen, die reicher sind als viele Menschen in Europa oder anderen Ländern.“
Frage: In Cartagena besuchte Franziskus auch ein von Adveniat gefördertes Projekt, Talitha Qum, für Mädchen aus armen Familien, die Gefahr laufen, Opfer von Gewalt zu werden. Was haben Sie dort gesehen?
P. Heinz: „Franziskus hat es sich bei seinen Besuchen schon zur Gewohnheit gemacht, immer auch Menschen zu begegnen, die am Rand der Gesellschaft leben. So hat er in Cartagena auf Empfehlung des Erzbistums von Cartagena eine Gruppe von Mädchen aus armen Familien besucht, Afro-Kolumbianerinnen, die Gefahr laufen, Opfer von Gewalt zu werden oder vor allem in die Prostitution und Drogensucht abzurutschen. 80 Mädchen hat er dort getroffen, es war ein sehr bewegendes Treffen mit diesen Mädchen und auch einer Gruppe Obdachloser, in der Pfarrei San Francisco, die zu den ärmsten in Cartagena gehört, wo er sich dann auch mit den Kindern und Jugendlichen, mit den Menschen, im persönlichen Segen und Gebet, aber auch in den Lebenszeugnissen, die er gehört hat, getroffen hat, was für diese Gemeinde ein sehr bewegender Moment war. Adveniat unterstützt diese Initiative schon seit mehreren Jahren und wir sind natürlich sehr froh, dass wir in Franziskus einen Verteidiger der Armen haben, der uns zur Seite steht und uns Mut macht, uns weiterhin gemeinsam mit unseren Unterstützern für die Menschen in Lateinamerika einsetzen zu dürfen.“
Frage: Wer die sozialen Medien konsumiert, wird von der Papstreise womöglich in Erinnerung behalten, dass Franziskus ein Veilchen davontrug, weil das Papamobil zu schnell stoppte. Was ist Ihr stärkster bleibender Eindruck von dieser Papstreise nach Kolumbien? Das stärkste Bild?
P. Heinz: „Ja, vielleicht war es für die Medien ein wichtiger Moment, als er sich bei einem abrupten Halt des Papamobils, abgelenkt durch ein Kind, als er dieses segnen wollte, das Gesicht gestoßen hat – aber ich denke, das ist nicht der bleibende Eindruck und sollte auch nicht der bleibende Eindruck einer Papstreise sein. Für mich persönlich war das wichtigste das Treffen mit den Opfern, mit den Menschen, die gelitten haben – und dieses Mitleiden, dieses Trösten, das er als Papst vermittelt hat und wo er auch die Menschen dazu eingeladen hat, die Arme zu öffnen, das Herz zu öffnen, damit wir auf andere zugehen können und dass der Friede in Kolumbien ein dauerhafter bleiben kann, und dass dieser Prozess, dieser Weg zum Frieden von vielen, möglichst von allen, mitgetragen wird. In diesem Sinn wird die Papstreise sicherlich positive Impulse an die Gesellschaft und die Kirche in Kolumbien in den kommenden Monaten und Jahren geben. Der Vizepräsident von Kolumbien, den wir in Villavicencio getroffen hatten, hat selbst gesagt, es wird in Kolumbien nun eine Zeitrechnung geben vor dem Papstbesuch und nach dem Papstbesuch, und damit hat auch ein hoher Politiker ausgedrückt, was dieser Papstbesuch für die Menschen und für die Gesellschaft in Kolumbien bedeuten kann.“
Das Interview führte Gudrun Sailer, Radio Vatikan
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