Frage: Papst Franziskus findet in der Flüchtlingsfrage klare Worte. Würden Sie sich von Ihren Amtsbrüdern in Europa manchmal ähnlich deutliche Worte wünschen?
Montenegro: Die Kirche kann in dieser Situation sicher noch viel mehr tun und sich klarer positionieren. Wir müssen unser Handeln nach dem Evangelium ausrichten. Das Evangelium überlässt mir nicht die Wahl, mich um die Migranten zu kümmern oder nicht. Es sagt, dass ich ihnen helfen muss. Für mich als Christ sind die Flüchtlinge ein Bild Christi. Einen Flüchtling sterben zu lassen, bedeutet Christus sterben zu lassen. Diese Menschen haben Rechte, die anerkannt werden müssen. Wichtig ist dabei, dass wir nicht so sehr als einzelne Ortskirchen sprechen, sondern dass wir uns besser vernetzen und gemeinsam die Stimme erheben.
Frage: Franziskus hat seine erste Reise als Papst nach Lampedusa gemacht. Zwei Jahre später wurden Sie zum Kardinal. Haben Sie mit dem Papst über die Flüchtlingsproblematik gesprochen?
Montenegro: Ja, wir haben darüber gesprochen. Der Papst hat mir gesagt, ich solle mich weiter dafür einsetzen, die Rechte dieser Menschen zu verteidigen. Denn das Christentum zeige sich bei der Aufnahme der Flüchtlinge.
Frage: In vielen europäischen Ländern stehen bald Wahlen an. Was sagen Sie den Menschen da draußen mit Blick auf die Flüchtlingspolitik?
Montenegro: Die Politiker handeln immer danach, wie sie mehr Stimmen bekommen. Der Gläubige muss allerdings nach dem Herzen handeln. Es ist die Christenpflicht, jeden Menschen wie einen Bruder zu behandeln. Und falls die Christen das vergessen, ist es meine Pflicht, sie daran zu erinnern.
Das Interview führte Björn Odendahl, Katholisch.de
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