Frage: Eminenz, welche aktuellen Nachrichten bringen Sie aus Haiti mit?
Langlois: Die gute Nachricht ist, dass Haiti weiter in Hoffnung lebt. Man hört viele schlechte Nachrichten von uns, was die soziale und wirtschaftliche Lage angeht oder auch die politische. Aber das Volk lebt und ist voller Hoffnung. Unser Volk arbeitet Tag für Tag, um die Situation ein bisschen zu verbessern.
Frage: Sie sagen oft: „Das Volk von Haiti lebt in der Hoffnung: Morgen wird es besser“. Morgen – ist das unter Ihrem neuen Staatspräsidenten Jovenel Moise?
Langlois: Sicher – mit dem neuen Präsidenten erwartet das Volk auf allen Ebenen Verbesserungen für die Entwicklung des Landes. Aber es ist nicht nur eine Person, die Hoffnung macht. Es ist in unserer Kultur angelegt, dass wir in Hoffnung leben. Wir leben schon so lange unter sehr schwierigen Umständen: Da gab es das große Erdbeben, Zyklone, all das. Aber wir fangen immer wieder mit dem Aufbau an und leben weiter. Der neue Präsident Moise hat im Wahlkampf versprochen, dass es für alle Menschen Nahrung geben wird. Dass er die Teller mit Essen und die Taschen mit Geld füllt. Das heißt, dass er für Arbeitsplätze sorgen muss und zur Entwicklung des Landes beiträgt. Und das ist jetzt eben die Erwartung.
Frage: Die Kirche scheint auf Haiti die einzige Institution zu sein, die über die Jahre funktioniert. Täuscht der Eindruck?
Langlois: Man kann nicht sagen, dass sie die einzige Instanz ist – aber sie ist vielleicht die Institution, die in Haiti am meisten anerkannt ist. Die Kirche ist ein Bezugspunkt; sie steht immer an der Seite des Volkes – und ja, sie funktioniert. Unsere Schulen, unsere Gesundheits- und Sozialdienste, die Sprechstunden, die wir nach den Gottesdiensten anbieten.
Frage: Welche Rolle spielt die traditionelle Religion des Vodoo?
Langlois: Die Praxis des Vodoo ist in Haiti Tradition. Unter der früheren Regierung ist er auch in der Verfassung festgelegt und institutionalisiert worden, was bedeutet, dass die Anhänger viel freier sind bei der Ausübung des Vodoo. Sicherlich haben sich Verständnis und Wahrnehmung des Vodoo über die Zeit geändert, es ist nicht mehr das gleiche wie früher. Aber der Vodoo ist Teil der Realität und der religiösen Welt Haitis und wir können ihn nicht leugnen.
Es gibt auch eine kulturelle Dimension dieser Praxis. Denn schon ab der Geburtsstunde der haitianischen Nation hat der Vodoo existiert und hat auch zu den Befreiungskämpfen des Landes beigetragen. Der Vodoo ist also von der Entstehungsgeschichte Haitis nicht wegzudenken. Sicherlich gibt es Elemente des Vodoo, die genauer betrachtet werden müssen. Die katholische Kirche hat bereits einige Aspekte des Vodoo anerkannt, wie etwa die Musik. Andere Dinge müssen wiederum korrigiert werden, das ist klar. Aber Vodoo ist eben Teil der Mentalität und Kultur Haitis.
Frage: Führt diese Mentalität zu einem gewissen Fatalismus bei der Bevölkerung?
Langlois: Ich glaube nicht, dass man sagen kann, dass der Vodoo zu mehr Fatalismus führt. Im Prinzip gibt es im Vodoo viele Elemente, die Hoffnung geben und die auch den Glauben an etwas Höheres stärken – somit schließt er auch an den christlichen Glauben an. Es gibt im Vodoo den Glauben an den einen Gott, der auch von Christus verkündet wurde. Man kann nicht von Fatalismus sprechen, im Gegenteil, wenn man sich mit Vodoo auseinandersetzt, stellt man fest, dass er voller Antrieb und Lebendigkeit ist. Man glaubt dort auch an ein Leben nach dem Tod. Es gibt einen Auferstehungsglauben, die Rede ist von Zombies, von Toten, die weiterleben. Man glaubt daran, dass man nie vollständig verschwindet und dass es nach dem Tod irgendwie weitergeht. Die Anhänger des Vodoo ziehen sogar aus dem Tod noch Leben! (lacht)